Wunden

Wir alle ziehen uns dann und wann eine Wunde zu. Zumeist handelt es sich dabei um leichte Verletzungen, die komplikationslos verheilen. Eine Wunde kann aber auch tödlich sein oder zu Invalidität führen.

Der Schweregrad einer Wunde hängt nicht so sehr von ihrer Größe ab als vielmehr davon, wo sich die Wunde befindet. So führt eine kleine Stichwunde in einem lebenswichtigen Organ wie Herz oder Gehirn ziemlich sicher zum Tod, während eine großflächige Hautwunde unter Umständen keine Dauerfolgen hat. Eine Wunde ist eine Gewebeverletzung aufgrund einer äußeren Einwirkung, die entweder mechanisch bedingt ist oder thermisch (durch Hitze- oder Kälteeinwirkung), chemisch (durch Säuren oder Laugen) sowie auch strahlenbedingt.

Die mechanischen Wunden werden unterteilt in Prellungen, Quetschungen, Schürf-, Riss-, Schnitt-, Platz- und Stichwunden. Man unterscheidet weiterhin offene und geschlossene Wunden. Zu den offenen mechanischen Wunden gehören die Riss-, Schnitt-, Platz-, Schürf- und Stichwunden, während die Prellung und die Quetschung zu den geschlossenen Wunden zählen. Viele Wunden erfordern eine Spezialbehandlung, zum Beispiel wenn größere Gefäße, Sehnen oder Nerven durchtrennt worden sind.

Schnittwunden

Als Schnittwunden wird in der Regel jeder Schnitt bezeichnet, gleichgültig, ob es sich um einen Einschnitt mit einem chirurgischen Instrument während einer Operation oder um eine Verletzung handelt, die versehentlich durch ein Messer oder eine Rasierklinge herbeigeführt wurde. Diese Wunden bluten meist heftig, weil bei der Schnittverletzung häufig Blutgefäße durchtrennt werden.

Schürfwunden

Bei der Schürfwunde handelt es sich um eine gewaltsame Abschleifung der Haut an einer rauen Oberfläche. Dabei wird die oberste Hautschicht, die Epidermis, abgeschliffen und die darunterliegende Schicht, die Dermis oder Lederhaut, freigelegt. Die Dermis enthält kleine Blutgefäße, und deshalb blutet eine Schürfwunde leicht. In der Dermis befinden sich auch zahlreiche Nervenenden, die durch die Abschürfung bloßgelegt werden und den für solche Wunden charakteristischen heftig brennenden Schmerz verursachen.

Stichwunden werden von einem spitzen Gegenstand, zum Beispiel einer Nadel oder einem Schraubendreher, verursacht. Sie sind gewöhnlich tiefer als breit, und tief liegende Gewebe können dabei schwer in Mitleidenschaft gezogen werden, ohne dass eine größere Schädigung an der Oberfläche zu erkennen ist. Eine Kombination aus Stich- und Quetschwunden stellt die Bissverletzung durch Tier- oder Menschenzähne dar. Bei diesen Verletzungen besteht eine hohe Infektionsgefahr, weshalb sich die Wundversorgung stark von den anderen Wundbehandlungen unterscheidet.

Platz- und Risswunden

Die Platzwunde entsteht zum Beispiel bei einem stumpfen Aufprall auf den Hinterkopf. Die Wundränder sind in der Regel unregelmäßig. Bei der Risswunde sind die Wundränder zerfetzt und meistens nekrotisch (abgestorben). Die typische Risswunde ist die Stacheldrahtverletzung.

Prellungen und Quetschungen

Die Prellung (Kontusion) entsteht bei einer heftigen Erschütterung durch Stoß oder stumpfe Gewalt. Bei einer Prellung platzen Blutgefäße, und das Blut sickert in der Umgebung der Wunde ein. Blutergüsse und Flüssigkeitsansammlungen sind die Folge. Die Quetschwunde ist durch eine zweiseitige Gewalteinwirkung gekennzeichnet. Sie kann beispielsweise durch Hammerschläge, Einklemmen der Finger in einer Autotür oder durch Überfahren verursacht werden. Die Schädigungen bei Quetschwunden sind ausgedehnter als bei einer Prellung. Immer sind auch tiefer liegende Gewebe geschädigt, die zu Nekrosen führen. Von großer klinischer Bedeutung ist die Schädelkontusion, bei der das Gehirn gequetscht wird. Sie hat schwerwiegende Folgen.

Große Quetschwunden erfordern meist eine chirurgische Behandlung. Wunden können narbenlos verheilen oder aber Narben hinterlassen. Narbenlos heilt eine Wunde nur dann, wenn das verletzte Gewebe – wie es beispielsweise bei Abschürfungen meist der Fall ist – keine tief greifenden Schädigungen erlitten hat, denn bei Schürfwunden wird nur die oberste Hautschicht abgeschliffen, während die darunterliegende Lederhaut intakt bleibt.

Zellen der Lederhaut

Die Keimschicht der Lederhaut enthält Zellen, die sich vermehren, zur Oberfläche wandern und dort die äußere Hautschicht neu bilden. Vereinzelt ist die Stelle einer ausgedehnten Schürfwunde noch nach Jahren als ein etwas hellerer Hautbezirk zu erkennen, doch die meisten Abschürfungen verheilen, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Prellungen heilen auch ohne Narbenbildung aus. Quetschwunden führen zur Defektheilung, daher, es besteht auch nach Heilung der Wunde ein organischer oder funktioneller Restschaden fort.

Die Behandlung von Quetschungen erweist sich oft als problematisch. Andere Wunden, zum Beispiel Stichwunden, hinterlassen nach der Heilung Narben. Bei Eintritt der Verletzung klafft das Gewebe auseinander, und dieser Spalt füllt sich mit Blut, das gerinnt. Es entwickelt sich in der Umgebung der Wunde eine lokale Entzündung. Bei dieser Entzündungsreaktion wandern weiße Blutkörperchen in den Wundbereich ein, um die Wunde zu reinigen und um Abbauvorgänge einzuleiten. Am dritten Tag nach der Verletzung beginnt die Proliferationsphase: Die Wunde wird mit gefäß- und zellreichem Gewebe ausgefüllt, das an dem tiefroten Wundgrund zu erkennen ist. Während dieser Phase wandern Bindegewebszellen (Fibroplasten) in den Wundbereich ein. Die Fibroplasten bilden die Grundbausteine für ein einfaches Fasergewebe, das die Wunde zusammenhält. Gleichzeitig sprossen aus dem Nachbargewebe kleine Blutgefäße in das Fasergewebe vor.

Mit dem Blut werden weitere faserbildende Zellen sowie Nährstoffe wie beispielsweise Protein (Eiweiß), Zucker und vor allem Sauerstoff zum Verletzungsherd transportiert. In diesem Stadium der Heilung ist eine leichte Schwellung des heilenden Wundbezirks und eine hellrote Färbung der Wundfläche charakteristisch. Im Laufe der folgenden Wochen und Monate wird das ursprüngliche, zellreiche Fasergewebe zunehmend komplexer. Die Proteinfasern wandeln sich in belastungsfähige Kollagenfasern um. Die Wunde erreicht zunehmend Festigkeit, und die Wundränder ziehen sich zusammen. Am Ende dieser Phase ist die Wunde nahezu reißfest. Mit der Zeit reift die Narbe aus, daher sie wird weicher und heller.

An manchen Stellen sind Narben fast unsichtbar und verschmelzen mit dem Nachbargewebe; ein Beispiel hier für sind Narben an den Handinnenflächen. Narben an anderen Körperstellen wie Bauch und Brust verbreitern sich dagegen und sind dann als auffälliges Mal zu sehen. Auf der Haut oder im Fettgewebe wirkt sich eine kleine Narbe wenig oder gar nicht aus. Bei tief greifenden Verletzungen hingegen kann durch Vernarbung ein vollständiger Funktionsverlust eintreten.

Behandlung

Durch eine optimale Behandlung verläuft die natürliche Heilung einer Wunde wesentlich schneller, und auch das kosmetische Ergebnis wird um ein Vielfaches besser ausfallen. Bei größeren Wunden wird immer eine primäre Wundbehandlung angestrebt, das heißt die Aneinanderfügung von Wundrändern durch Nähte. Lediglich Bisswunden, infizierte und alte Wunden werden offen behandelt. Alle frischen, ausgedehnten Wunden sollten innerhalb der ersten sechs bis acht Stunden chirurgisch versorgt werden.

Prinzipien der chirurgischen Wundversorgung sind Säuberung und Desinfektion der Wunde, Betäubung vor der Wundnaht, Entfernung von abgestorbenen Wundbereichen, Anlegen einer Wundnaht unter Vermeidung von Spannung und Hohlräumen. Bei großen Wunden wird eine Drainage angelegt, um Wundsekrete abzuleiten. Schürfwunden verheilen im allgemeinen rasch und vollständig. Die Wunde muss lediglich gesäubert und in manchen Fällen verbunden werden. Am besten erfolgt die Reinigung mit einer milden Seife und Wasser. Schürfwunden sollten offen behandelt werden. Innerhalb weniger Stunden bildet sich ein fester Schorf, der wie ein natürlicher Schutzverband wirkt. In manchen Fällen muss aber die Schürfwunde mit Verbandmaterial abgedeckt werden, damit sie nicht an Kleidungsstücken reibt oder verschmutzt.

Von geringfügigen Blessuren abgesehen, bedürfen Schnitt-, Riss- und Platzwunden in der Regel ärztlicher Behandlung. Wichtig ist aber zunächst, die Blutung zum Stillstand zu bringen. Am besten lässt sie sich stoppen, indem man Verbandmaterial auf die Wunde presst. Auch Hochlagern des verletzten Körperteils stoppt die Blutung. Stärkere Blutungen werden in den meisten Fällen durch einen Druckverband zum Stehen gebracht. Die Wunde wird zuerst steril abgedeckt. Dann wird ein Druckpolster, zum Beispiel ein Verbandspäckchen oder mehrere zusammengefaltete Taschentücher, aufgelegt. Dieses Druckpolster wird mehrfach mit elastischen Binden fest umwickelt. Nach Reinigung der Wunde erfolgt die chirurgische Wundbehandlung mit der Anlage einer Naht. Nach dem Nähen wird die Wunde steril verbunden und ruhiggestellt. Der Patient muss am nächsten Tag zum Arzt, der die Wunde auf eine eventuell beginnende Entzündung hin untersucht.