Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie ist eine Methode zur Bewältigung von unterschiedlichen psychischen Störungen, etwa Phobien und Zwangshandlungen. Ihr Erfolg hängt von der Motivation und Mitarbeit des Patienten ab. Diese Therapieform ist im Grunde genommen ein Verfahren, psychische Probleme mit dem so genannten gesunden Menschenverstand anzugehen. Träume, Kindheitserlebnisse oder innere Konflikte bleiben bei der Verhaltenstherapie weitgehend unbeachtet. Statt dessen wird konsequent die Änderung der Verhaltensweisen des Patienten mit Hilfe einer Spezialtechnik verfolgt, die als Konditionierung bezeichnet wird.

Lernen und Verlerne

Kernpunkt der Verhaltenstherapie ist die Ansicht, dass nahezu jede psychische Störung nur eine Anhäufung von Gewohnheiten darstellt. Diese Gewohnheiten, die ja irgendwann einmal erlernt wurden, lassen sich demnach auch wieder verlernen. Es erübrigt sich nach dieser Theorie, die Ursache des „falschen“ Verhaltens zu ergründen; statt dessen kann der Patient sofort mit der eigentlichen Therapie beginnen.

Anwendungsgebiete

Die Methoden der Verhaltenstherapie werden bei Verhaltensweisen angewandt, die aus Angstzuständen erwachsen, beispielsweise Phobien (irrationale Ängste), die sexuelle Probleme, zwanghaftes Verhalten oder Sprachstörungen zur Folge haben. Am bekanntesten ist wohl die so genannte Aversionstherapie. Sie dient der Beseitigung unerwünschten Verhaltens. Die Aversionstherapie besteht aus einer Kopplung des unerwünschten Verhaltens mit einem unangenehmen Reiz, beispielsweise indem man einem nägelkauenden Kind einen speziellen, unangenehm schmeckenden Nagellack aufträgt. Nach mehreren Wiederholungen verbindet sich ein zuvor reizvolles Verhalten (Nägelkauen) mit einem unangenehmen Reiz (übler Geschmack). Das Nägelkauen verliert so mit der Zeit seine Funktion.

Vorstellungskraft

Eine weitere Therapie-Variante gleicht weitgehend der Aversionstherapie, baut aber einzig auf der Vorstellungskraft des Patienten auf. Bei der so genannten Kontaktsensibilisierung bittet man den Betroffenen zunächst, sich seine Erregung angesichts der zwanghaften Situation vorzustellen. Anschließend muss er sich vergegenwärtigen, dass er von der Polizei festgenommen und sein Geheimnis gelüftet wird. In dem Augenblick, in dem sich diese Szenen am lebendigsten darstellen, konfrontiert man ihn erneut mit der zwanghaften Situation. Beide Situationen werden so lange wiederholt, bis sie im Empfinden des Patienten so eng miteinander verknüpft sind, dass er keinen zwanghaften Antrieb mehr verspürt.

Ängsten begegnen

Dieselbe Technik kann man auch anwenden, indem man eine angenehme Situation mit einer Ursache für übermäßige Angst koppelt. Bezeichnet wird dieses Verfahren als systematische Desensibilisierung. Zunächst bringt man beispielsweise jemandem mit einer Spinnenfurcht bei, sich zu entspannen. Mit Hilfe des Therapeuten lernt der Betroffene dann, dieses Gefühl der Entspannung beizubehalten, während er sich eine Reihe zunehmend furchterregender Szenen mit Spinnen vorstellt. Nach wenigen Sitzungen macht dem Patienten nicht einmal der Gedanke etwas aus, dass ihm eine Riesenspinne über den Arm krabbelt.

Erfolgsaussichten

Selbst unter günstigen Voraussetzungen ist die Verhaltenstherapie nicht für jeden Patienten gleichermaßen erfolgreich. Der Grund für diese unwiderlegbare Tatsache liegt vermutlich in den unterschiedlichen Reaktionen der Betroffenen auf Konditionierung; und Verhaltenstherapie ist eine Form von intensiver Konditionierung. Überdies handelt es sich bei dieser Therapie um ein Lernverfahren, das gegen jahrelange Lernprozesse angeht. Zu erwarten, dass sich eine solche Therapie innerhalb weniger Wochen gegen einen derartigen Prozess behauptet, wäre zuviel verlangt. Vielfach wird Kritik an der Verhaltenstherapie geäußert, und zwar mit der Begründung, sie sei brutal und manipuliere den Menschen und könnte sogar zu politischen Manipulationen der Gesellschaft führen. Tatsächlich besitzt die Verhaltenstherapie aufgrund des Prinzips von Behandlung und Bestrafung, durch das Menschen neue Verhaltensmuster erlernen, Ähnlichkeit mit dem, was unter dem Begriff „Gehirnwäsche“ bekannt ist. Doch es gibt einen gewichtigen Unterschied: Verhaltenstherapie spielt sich zumeist auf freiwilliger Basis ab. Ohne Motivation und Mitarbeit von Seiten des Betroffenen erzielt diese Behandlungsform keine positiven Resultate. Ziel der Therapie ist es nämlich, die der jeweiligen Handlungsweise zugrunde liegende Einstellung zu ändern und keineswegs nur die Art, sich zu verhalten.