Organverpflanzungen sind heutzutage keine Utopie mehr und für viele Patienten lebensrettend. Die Reaktion des Körpers, das fremde Gewebe abzustoßen, kann oft ganz unterdrückt oder auch gemildert werden.
Die Transplantationschirurgie zählt zu den Gebieten, auf denen die Medizin große Erfolge zu verzeichnen hat. Was noch vor wenigen Jahren undenkbar schien, ist heutzutage zum Teil schon Routine. Nierentransplantationen werden nunmehr seit Mitte der sechziger Jahre praktiziert und bei Patienten mit einer lange bestehenden Niereninsuffizienz vorgenommen.
Auch die Verpflanzung von Herz, Lunge, Leber und Knochenmark macht rapide Fortschritte. Doch sind nicht alle Probleme gelöst. Die schwierigste Hürde ist die Transplantatabstoßung, daher die Abweisung körperfremden Gewebes durch das Immunsystem des Empfängers. Wird beispielsweise ein Stück Haut von einer Maus auf eine andere verpflanzt, verläuft die Heilung zunächst problemlos. Doch dann verschlechtert sich der Zustand. Die an der Transplantatbasis gesprossenen neuen Blutgefäße wachsen nicht weiter, und eine mikroskopische Untersuchung der neuen Haut zeigt zwischen dem dritten und dem neunten Tag, dass bestimmte Abwehrzellen (Lymphozyten) eingewandert sind. Sie treten normalerweise bei entzündlichen Prozessen Fremdgewebe oder Erreger, von körpereigenen Stoffen unterscheiden und „Eindringlinge“ dann bekämpfen und vernichten. So wehrt es auch körperfremde Organe und Hauttransplantate ab.
Diese Vorgänge sind hoch kompliziert und laufen unter Beteiligung einer Vielzahl von Zellen und Organen ab, die untereinander in Verbindung stehen. Beteiligt sind das Knochenmark, das den Nachschub für die Immunzellen produziert, die Immunorgane Thymusdrüse, Milz und Lymphknoten – einschließlich der Mandeln und des Blinddarms – sowie die mit dem Blut transportierten Immunzellen, die Lymphozyten, und diesen verwandte Zellen.
Rolle des Immunsystems
Die Lymphozyten, allen voran die aus der Thymusdrüse stammenden T-Lymphozyten, sind die für die Abstoßung eigentlich verantwortlichen Immunzellen. Nachgewiesen wurde dies durch Tierexperimente. Ein Tier, dem kurz nach der Geburt die Thymusdrüse entfernt wird, kann ein Transplantat nicht auf die übliche Weise abstoßen. Erhält ein so vorbereitetes Tier, beispielsweise eine Maus, eine Transfusion mit den Lymphozyten einer Maus mit intakter Thymusdrüse, kommt es auf die gewohnte Art und Weise zur Abstoßung. Verantwortlich für die Abstoßung ist also in den meisten Fällen diese T-Lymphozyten-Reaktion – die zelluläre Immunität.
Das am häufigsten verpflanzte Organ ist die Niere. Bei zahlreichen Nierenempfängern kommt es zu einer oder mehreren Abstoßungskrisen. Gelegentlich nimmt die Entwicklung dramatische Formen an. Im wesentlichen können drei Dinge geschehen. Zum ersten stellt sich unter Umständen innerhalb weniger Minuten nach der Verpflanzung eine äußerst rasche Reaktion ein. Sie wird als hyperakute Abstoßung bezeichnet.
Symptome
Diese geht weniger auf die zelluläre Immunität zurück als vielmehr auf eine Vorsensibilisierung mit Antikörpern, beispielsweise durch Schwangerschaften oder Bluttransfusionen. Normalerweise ist es allerdings möglich, diese Antikörper im Blut nachzuweisen und das Problem von vornherein zu vermeiden. Zum zweiten gibt es nach einigen Tagen oder auch Monaten die akute Abstoßungskrise; sie ist am häufigsten zu beobachten. Transplantationspatienten erhalten Medikamente zur Unterdrückung solcher Abwehrreaktionen und durch eine Dosiserhöhung lassen sich diese in der Regel dann auch unter Kontrolle bringen.
Die Anhaltspunkte für eine Abstoßungskrise sind unterschiedlich. Oftmals haben die Patienten Fieber und Schmerzen. Unter Umständen ist auch die Funktion der verpflanzten Niere eingeschränkt. Der Harn enthält dann Blut und Eiweiß, und die harnpflichtigen Substanzen sammeln sich im Blut. Zum dritten kann sich eine langsame, aber stetige Funktionsverschlechterung der verpflanzten Niere einstellen. Diese Komplikation wird als chronische Abstoßungskrise oder auch als verspätete Transplantatzerstörung bezeichnet. Sie ist schwerer zu behandeln als akute Abstoßungsschübe.
Einer der außergewöhnlichsten Aspekte von Abstoßungsreaktionen zeigt sich nicht bei Nierentransplantationen, sondern bei Knochenmarkübertragungen. Dieses Verfahren wurde im Laufe der letzten Jahre zur Behandlung von Personen mit Knochenmarkfunktionsstörungen oder -erkrankungen entwickelt, in deren Folge keine normalen Blutzellen mehr gebildet werden. Das Knochenmark wird dabei dem Spender – fast immer einem nahen Verwandten – entnommen und dem Empfänger durch eine Infusion übertragen. Es wandert in Knochen und Leber des Empfängers und beginnt dort zu arbeiten.
Da das Immunsystem des Patienten durch seine Erkrankung funktionsuntüchtig oder zerstört ist, wird das fremde Knochenmark nicht abgestoßen. Allerdings bringt es mit den neu produzierten Blutzellen auch seine spezifischen Lymphozyten in den Körper ein, und diese wenden sich unter Umständen gegen den Körper des Patienten. Sie erkennen den Empfängerkörper nämlich als fremd, weil sie sich nicht in ihrem gewohnten Umfeld, dem Spenderkörper, befinden. Die Folge wird als Graft-versus-hostre action (Transplantat-Wirt-Reaktion) bezeichnet. Sie kann zu Hautausschlägen, Magen-Darm-Störungen, Gewichtsverlust und zum Tod führen.
Vermeiden oder entschärfen lässt sich diese Komplikation nur dadurch, dass das neue Knochenmark von einer Person stammt, deren Gewebsmerkmale denen des Empfängers möglichst ähnlich sind. Meist kommt als Spender ein naher Verwandter in Frage. Grundvoraussetzung ist, dass er und der Empfänger dieselbe Blutgruppe haben.
Vorbeugende Maßnahmen
In jüngster Zeit hat man mit der Bestimmung von Gewebsgruppen – eine Einteilung, die der in Blutgruppen ähnelt – große Fortschritte gemacht und kann den Komplikationen besser begegnen. Der Begriff Blutgruppe besagt, dass die Blutkörperchen an ihrer Oberfläche eine Art Markierung, ein Antigen, tragen. Dieses Antigen reagiert mit den Antikörpern aus dem Blut einer Person mit anderer Blutgruppe so, dass das Blut verklumpt.
Hast du also beispielsweise Blutgruppe A, tragen deine Blutkörperchen das Antigen A an der Oberfläche. Für die Gewebsgruppen ist ein ähnliches, aber weit komplizierteres System, das HLA-System (humane Leukozytengruppe A) entwickelt worden, das sich an den Zell Oberflächen-Antigenen orientiert. HLA-Antigene sind auf allen kernhaltigen Körperzellen nachweisbar.
Das Blutgruppen-System umfasst nur vier Gruppen: A, B, AB und Null. Im HLA-System gibt es dagegen vier Hauptgruppen von Antigenen – A, B, C und D – sowie Tausende von Untergruppen, in denen hauptsächlich genetisch bedingte Faktoren unterschiedlich miteinander kombiniert sind. Eine Gewebsgruppe zu bestimmen ist daher sehr kompliziert. Organtransplantationen werden nur versucht, wenn die Gewebsmerkmale von Spender und Empfänger möglichst weitgehend übereinstimmen. Es brauchen nicht exakt die gleichen zu sein; das hat die Erfahrung gezeigt. In einer schwierigen Situation, die beispielsweise eine Knochenmarkübertragung erfordert, ist es weit besser, von einer gerade akzeptablen Übereinstimmung mit dem Gewebe eines nahen Verwandten auszugehen als nach einer exakten Übereinstimmung mit Gewebe einer nicht verwandten Person zu suchen.
Die Abstoßungsreaktionen werden mit Medikamenten behandelt, die das gesamte Immunsystem unterdrücken und als Immunsuppressiva bezeichnet werden. Im wesentlichen sind zwei Präparate im Einsatz. Das sind Prednisolon, ein dem Kortison verwandter Wirkstoff, und Azathioprin, eine Substanz, die die Zellteilung und damit die Lymphozytenbildung unterdrückt.
Behandlung
Dies hat auch zur Folge, dass die Abwehrkraft gegen Infektionen herabgesetzt wird und der Patient äußerst anfällig dafür ist. Daraus kann eines der Hauptprobleme erwachsen. Ein Patient, dem Knochenmark übertragen wurde, verfügt bis zum Einsetzen der Funktion des transplantierten Knochenmarks über kein Abwehrsystem. Er muss gegen Erreger abgeschirmt werden. Ein neues Präparat, Ciclosporin A, könnte weiterhelfen: Die Abstoßung wird damit unterbunden, ohne die Abwehrkraft zu schwächen.