Familiäre Veranlagung
Statistiken legen den Schluss nahe, dass auch die Vererbung für das Stottern eine Rolle spielt. 30 Prozent der Stotterer kommen nämlich aus Familien, die in dieser Weise auffällig sind.
Als Auslöser wirken psychische Faktoren, ein mangelndes Selbstwertgefühl oder auch ein überhöhter Anspruch an sich selbst und andere. In über der Hälfte der Fälle zählt zu den möglichen Ursachen eine frühkindliche Hirnschädigung. Nach neueren Untersuchungen weisen nämlich viele Betroffene bei normaler Intelligenz Störungen der Fein- und Grobmotorik auf. Darüber hinaus entwickelt sich das Stottern durch überhöhte Ansprüche der Bezugspersonen, deren einschüchternde Korrekturen sowie durch diskriminierende und entmutigende Reaktionen der Spielkameraden und Mitschüler.
Behandlung
Beim fixierten Entwicklungsstottern ist es wichtig, die Eltern in die Therapie mit einzubeziehen. Sie selbst sollen langsam sprechen und das Kind nicht verbessern. Es sollte keine Ungeduld gezeigt werden, wenn das Kind spricht. Die häusliche Umgebung ist zu beruhigen. Die Eltern singen mit ihren Kindern Lieder und lernen mit ihnen kurze Gedichte auswendig, die Kinder wie Erwachsene dann einander aufsagen. Es hat sich als günstig erwiesen, die betroffenen Kinder einen Kindergarten besuchen zu lassen. Dort beginnen sie in relativ kurzer Zeit, die anderen beziehungsweise älteren Kinder und deren Sprache nachzuahmen. Nur wenn sich die Symptome verstärken, ist eine kurze Unterbrechung des Kindergartenbesuchs angezeigt.
Zeigen Kinder echtes Stottern, werden Klatschübungen mit ihnen gemacht. Diese umfassen rhythmisches Händeklatschen in Verbindung mit Sprechübungen. Spezielle Gymnastik verbessert die Motorik und wirkt sich dadurch günstig auf das Sprechen aus. Unter Anleitung des Logopäden werden Sätze geübt, deren Aussprache immer genauer gestaltet und gesteuert wird. Schließlich werden die Übungssätze stufenweise schneller gesprochen, bis das Kind sie bei normalem Tempo unter Kontrolle hat. Eine Spieltherapie bringt für die Kinder in allen Fällen eine wesentliche Druckentlastung.
Poltern
Die als Poltern bezeichnete Sprachbehinderung ist dem Stottern insofern ähnlich, als der Redefluss durch die Wiederholung von Silben gestört wird. Im Unterschied zum Stottern werden allerdings auch Silben verschluckt, weil der Betroffene in einem rasanten Tempo spricht. Der Redefluss ist überstürzt-hastig und undeutlich. Es besteht ein grundlegendes Missverhältnis zwischen Gedankenfluss und Artikulationsmöglichkeit. Das Poltern wird sowohl als ererbte Veranlagung wie als organische Störung angesehen. Die Behinderung bessert sich durch verstärkte Zuwendung und Aufmerksamkeit seitens der Bezugspersonen und durch den Einsatz vieler verschiedener rhythmischer Übungen.
Aphasie
Bei Aphasien beziehungsweise aphasischen Sprachstörungen handelt es sich um den Verlust beziehungsweise eine erhebliche Beeinträchtigung des Sprech- und Sprachvermögens sowie des Sprachverständnisses. Ursachen sind möglicherweise eine Hirnverletzung oder eine Erkrankung des Gehirns im Bereich der Sprachzentren. In jedem Fall kommt es zu Funktionsausfällen im Gehirn, die auch Folge einer Operation am Gehirn oder von Erkrankungen seiner Blutgefäße sein können.
Im Gehirn spielen sich zwei wichtige Prozesse ab, die das Sprachvermögen steuern. Zum einen wird dort eine über die Ohren empfangene (akustische) Botschaft entschlüsselt und sinngemäß erfasst, daher begriffen, zum anderen erfolgt dort die Vorbereitung einer Antwort: Gedanken werden in Wörter umgewandelt (verschlüsselt) und in Sprache umgesetzt. Zur Koordinierung dieses Vorgangs kommt das Gedächtnis zum Einsatz, und die Muskeln von Rachen, Kehlkopf, Unterkiefer, Lippen und Zunge erhalten Ketten von Befehlen. Damit ist ein Mensch in der Lage, zu sprechen und die Antwort zu geben. Beide Prozesse spielen sich in Gehirnbereichen ab, die durch Nervenbahnen miteinander verbunden sind. Empfang und Entschlüsselung des gesprochenen (und geschriebenen) Wortes finden im oberen Teil der rechten Gehirnhälfte (Hemisphäre) statt. Liegen dort Störungen vor, spricht man von sensorischer Aphasie oder Worttaubheit.
Für die Verschlüsselung des gesprochenen Wortes ist die linke Gehirnhälfte zuständig; ist deren Funktion gestört, bezeichnet man dies als motorische Aphasie oder Wortstummheit. Bei Erwachsenen kann eine Reihe von Krankheiten und Störungen zu einer Aphasie führen. Häufigste Ursache sind Vorgänge, die den Zustrom arteriellen Blutes zu den Sprachzentren des Gehirns einschränken. Dazu zählen die Hirngefäßthrombose (als Folge von Arteriosklerose bzw. Gefäßverkalkung), die Hirnblutung (infolge von Gefäßmissbildungen oder Arteriosklerose) und die Hirnembolie (als Folge einer Gefäßwandthrombose oder eines Herzinfarkts). Sie lösen Schwäche in den Gliedmaßen der rechten Körperhälfte oder eine Lähmung (Schlaganfall) aus, deren Symptome mit einer Aphasie einhergehen. Darüber hinaus können Tumore und Schädeltraumen (Verletzungen) diese Art der Behinderung nach sich ziehen.
Die verschiedenen Formen
Bei der schwersten Form von motorischer Aphasie kann der Betroffene unter Umständen nur noch ein oder zwei Wörter etwa „ja“ oder „nein“, hervorbringen, und sogar die werden eventuell falsch verwendet. Besteht keine sensorische Aphasie, kann ein Mensch mit motorischer Aphasie einem Gespräch folgen, es erfassen und Anweisungen folgen. Wichtig ist dies beispielsweise für den Schlaganfall-Patienten, der lernen muss, seine geschwächten oder gelähmten Muskeln einzusetzen und die alltäglichen Verrichtungen auszuführen, damit er seine Selbstständigkeit zurückgewinnt.
Eine schwere motorische Aphasie bringt für den Betroffenen heftige Frustrationen mit sich, weil er nicht in der Lage ist, Gedanken und Bedürfnisse spontan und präzise zu äußern. Und auch die Fähigkeit zu schreiben – ebenfalls eine Form der motorischen Sprache – ist in der Satzbildung beeinträchtigt. In weniger schweren Fällen ist der Wortschatz noch relativ groß, aber immer erheblich geringer als vor der Erkrankung. Die Betroffenen neigen unter Umständen dazu, bestimmte Wörter oder Sätze stereotyp zu wiederholen, was als Palilalie bezeichnet wird. Im allgemeinen ist ihre Sprechweise stockend und lückenhaft.
Die wohl leichteste, wenn auch gleichermaßen frustrierende Form der motorischen Aphasie ist die nominale oder amnestische Aphasie. Der Patient erkennt die ihm vertrauten Gegenstände, ist aber nicht imstande, sie richtig zu benennen. Es bestehen Störungen in der Wortfindung. Er kann zwar demonstrieren, wie er schreibt, aber der Begriff „schreiben“ steht ihm nicht zur Verfügung. Trotz der bei sensorischer Aphasie eingeschränkten oder massiv gestörten Fähigkeit, das gesprochene Wort zu erfassen und zu begreifen, kann die betroffene Person unter Umständen ziemlich schnell und lautstark sprechen. Das Problem besteht darin, dass das Gesagte für den Zuhörer vielleicht gar keinen Sinn ergibt, weil Grammatik und Laute entstellt sind. Der Sprecher ist sich dessen aber nicht bewusst und guter Stimmung. Bei totalem Kauderwelsch spricht man von einer Jargon-Aphasie. Werden die sinnlosen Sätze ständig wiederholt, liegt eine Echolalie vor.
Aphasie bei Kindern
Sprache ist eine komplizierte Fertigkeit, die Kinder sich aneignen müssen. Voraussetzung für ihre Erlernung und Beherrschung ist, dass das Gehirn des Kindes einwandfrei funktioniert und seine Sprachzentren intakt sind. Darüber hinaus muss das Kind Lauten und Worten ausgesetzt sein, über alle Sprechwerkzeuge (Atem- wie Artikulationsapparat) verfügen und diese beziehunsgweise deren Muskeln aufeinander abstimmen können. Bei Kindern kann man erst gegen Ende des zweiten Lebensjahres von Aphasie sprechen, nachdem Sprachvermögen erworben wurde. Wird im frühen Kindesalter nur eine Hälfte des Gehirns geschädigt, besteht die Chance, dass die andere Hälfte die ausgefallene Funktion übernimmt.
Mediziner gehen davon aus, dass eine solche „Reparatur“ der Fähigkeit zum Sprechen bis zum achten Lebensjahr möglich ist. Ist die Schädigung global, also umfassender – etwa durch eine schwere Hirnverletzung oder eine Gehirnentzündung, kommt es zu Ausfällen, die irreversibel (nicht rückbildbar) beziehungsweise nicht auszugleichen sind. Eine allgemeine Entwicklungsstörung ist die Folge.
Besonders aussichtsreich ist eine Sprachtherapie im frühen Kindesalter. Kommen bei älteren Kindern erst einmal Entwicklungsstörungen des Lesens und Schreibens hinzu, wird es sehr viel schwieriger, eine Aphasie erfolgreich zu behandeln. So ist es häufig dann nicht mehr möglich, das geschriebene und das gesprochene Wort in Übereinstimmung zu bringen. Oder das Kind versucht immer wieder, von rechts nach links – also bei unserer Schreibweise in falscher Richtung – zu lesen. Die Behandlung aller Formen der Aphasie liegt in den Händen der Sprachtherapeuten. Sofern es sich um Patienten mit Schlaganfall oder Schädeltrauma handelt, arbeiten sie mit Ärzten und Krankengymnasten zusammen. Zur Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit des erwachsenen, an motorischer Aphasie leidenden Patienten arbeitet der Therapeut mit Bildkarten, auf denen alltägliche Verrichtungen wie Essen und Trinken dargestellt sind und auf die der Patient deuten kann. Danach folgen Karten und Blätter mit den Buchstaben des Alphabets, auf die der Patient wiederum deutet, um Wörter zu bilden und so seine Mitteilung zu machen. Schlaganfallpatienten können lernen, mit der nicht in Mitleidenschaft gezogenen Hand zu schreiben.
Kontakt und Anregung
Einige an motorischer Aphasie leidende Patienten können trotz der Sprachstörung ziemlich geläufig Lieder singen und sich dies sogar für die Kommunikation zunutze machen. Als hilfreich erweist es sich, wenn Familie und Freunde relativ viel mit dem Betroffenen reden und ihn zum Sprechen ermuntern.