Schock

Wenn jemand nach einem Unfall bleich ist und erkennbar friert, hat er fast mit Sicherheit einen Schock. Eine rasche Auffüllung des Blutkreislaufs mit Blutersatz wirkt bei schwerem Schock oft lebensrettend. Im medizinischen Sinn ist ein Schock etwas anderes als das, was man umgangssprachlich als Schock bezeichnet. Wir sagen „das war vielleicht ein Schock“ und meinen damit, dass wir unangenehm überrascht oder entsetzt waren.

Für den Arzt ist der Schock ein akutes Kreislaufversagen, das zu einer ungenügenden Gewebedurchblutung führt, in deren Folge es zu einer Sauerstoffunterversorgung kommt. Der Schock ist lebensbedrohlich, wenn nicht sofort die entsprechenden Maßnahmen der Ersten Hilfe durchgeführt werden.

Psychischer Schock

Eine starke seelische Erschütterung, beispielsweise durch den Tod eines Angehörigen oder Freundes, kann zu einem psychischen Schock führen, den man keinesfalls als harmlos abtun sollte. Er ist zwar kein Schock im medizinischen Sinn, aber sehr schmerzlich und kann sogar eine ernste psychische Erkrankung verursachen. Ein psychischer Schock kann auch einen Kollaps – etwa eine Ohnmacht – auslösen. So fallen beispielsweise manche Menschen in Ohnmacht, wenn sie Augenzeugen eines schweren Autounfalls werden oder wenn sie eine traurige Nachricht erhalten.

Der Kollaps ist im Gegensatz zum Schock eine meist kurzdauernde, nicht lebensbedrohliche Kreislaufregulationsstörung. Bei einem Kreislaufschock – es gibt verschiedene Kreislaufschockarten – kommt es zu einer einschneidenden Verminderung der Gewebedurchblutung. Infolge dieser verminderten Gewebedurchblutung findet nur noch ein ungenügender Sauerstoffaustausch zwischen den Haargefäßen (Kapillaren) und Gewebszellen statt. Man nennt den Vorgang, der bei der Gewebedurchblutung stattfindet, auch Mikrozirkulation. Durch Mangeldurchblutung und Sauerstoffmangel im Gewebe kommt es zu einer Anhäufung von Stoffwechselprodukten. Die Folgen sind ein steigender Funktionsverlust der Zellen. Können diese Zellfunktionsstörungen nicht wieder in Gang gesetzt werden, kommt es im Verlauf des Schockgeschehens zum Zelltod.

Meistens liegt dem Schockgeschehen eine akute kritisch verminderte Auswurfleistung des Herzens zugrunde. Eine verminderte Auswurfleistung kann zum Beispiel als Folge eines Herzinfarkts aufgetreten sein oder durch einen schweren Blutverlust hervorgerufen werden. Aber auch andere Faktoren wie Infektionen können einen Schock auslösen.

Volumenmangelschock

Schock durch Blutverlust ist sehr häufig und wird auch als Volumenmangelschock bezeichnet. Zum Volumenmangelschock können innere und äußere Blutungen führen. Nicht selten kommt es beispielsweise infolge schwerer Blutungen aus dem Magen- und Darmtrakt – bei der große Blutmengen erbrochen oder mit dem Stuhl abgesetzt werden -, zu einem Volumenmangelschock.

Das charakteristische Merkmal des Volumenmangelschocks sind niedrige Blutdruckwerte. Im Bemühen, den Blutdruck aufrechtzuerhalten und die Blutversorgung der lebenswichtigen Organe zu gewährleisten, werden bestimmte Abschnitte der Arterien eng gestellt. Diese winzigen Gefäßabschnitte bezeichnet man als Arteriolen. Die Arteriolen regulieren die Mikrozirkulation der Gewebe. Die Weit- beziehungsweise Engstellung unterliegt der Steuerung durch das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem. Bei großen Blutverlusten wird – wie gesagt – über eine Engstellung der Arteriolen versucht, den Blutdruck aufrechtzuerhalten. Durch die Erhöhung des Blutdrucks kommt es aber zum Austritt von Flüssigkeit aus den Kapillaren in das Gewebe, und der Blutdruck sinkt weiter ab, weil die Blutmenge immer geringer wird. Der Körper kompensiert diesen Vorgang dann so, dass er die Arteriolen immer enger stellt, was wiederum einen noch größeren Flüssigkeitsaustritt bewirkt. Wird dieser verhängnisvolle Kreislauf nicht unterbrochen, sinkt der Blutdruck rapide, und es tritt immer mehr Blutflüssigkeit aus den Kapillaren in das Gewebe über. Dieser Prozess führt zu schwersten Kapillarschäden.

Übersäuerung

Die Strömungsgeschwindigkeit der Mikrozirkulation nimmt ab, und die Sauerstoffversorgung wird stetig schlechter. Stoffwechselprodukte häufen sich an, und es kommt zu einer Übersäuerung, zum Beispiel durch Milchsäure. Die Übersäuerung (Azidose) führt dazu, dass die Zellfunktionen immer stärker eingeschränkt werden. Am Ende dieser sich selbst verstärkenden Prozesse steht die Verklumpung der roten Blutkörperchen. Die Verklumpung führt zur Bildung kleiner Thromben (Blutpfropfe), die die Gefäße verstopfen. Der Schockzustand ist in diesem Stadium nicht mehr rückgängig zu machen.

Am einschneidendsten ist die Schocksymptomatik für die Nieren und die Lunge. Bei ausgeprägtem Schockzustand werden die Nieren nicht mehr ausreichend durchblutet, und sie können keinen Urin mehr produzieren. Es häufen sich dadurch immer mehr Stoffwechselendprodukte in den Nieren an. Gelingt es nicht, die Nierendurchblutung wiederherzustellen, wird durch die Bildung von Mikrothromben – also winzigster Blutpfropfe – in den Nierengefäßen ein Nierenversagen verursacht. Um das Leben des Patienten zu retten, wird er an eine künstliche Niere angeschlossen. In einigen Fällen arbeiten die Nieren nach Tagen oder Monaten wieder.

Schocklunge

Die Auswirkungen des Schocks auf die Lunge wurden erst in jüngerer Zeit erforscht. Auch bei der Schocklunge kommt es während des Wiederherstellungsprozesses des Organismus zum Austritt von Blutflüssigkeit in das Lungengewebe und die Lungenbläschen. Dadurch wird die Sauerstoffversorgung beeinträchtigt, und der Patient hat schwerste Atemnot. Durch diese Schädigung bilden sich Membranen, die sich aus Eiweißkörpern zusammensetzen (hyaline Membranen). Diese Membranen verstopfen die Lungenbläschen und stellen oft eine lebensbedrohliche Komplikation dar.

Kardiogener Schock

Eine stark gestörte Leistungsfähigkeit des Herzens infolge eines Herzinfarkts oder Kammerflimmerns führt zum kardiogenen Schock. Er tritt bei 15 Prozent aller Herzinfarkte auf. Beim Herzinfarkt kann es ebenfalls zum Versagen der Kreislauffunktion mit stark reduzierter Gewebedurchblutung kommen. Die reinen Schocksymptome gleichen denen des Volumenmangelschocks durch schwere Blutverluste. Die eingeschränkte Herzleistung verursacht in diesem Fall noch einen Rückstau venösen Blutes in den Lungenkreislauf.

Infektionen

Auch manche Infektionen können einen Schock hervorrufen, doch ist dabei ein anderer Auslösemechanismus wirksam. So kann eine Infektion zur Bildung von Toxinen (Giften) führen. Diese Toxine üben offenbar eine unmittelbare Wirkung auf die Blutgefäße in den Geweben aus, was zur Folge hat, dass die kleinsten Venen, die Venolen, sich weiten. Das Blut staut sich deshalb in den Venen, zu wenig Blut wird zum Herzen zurückbefördert, dessen Pumpleistung lässt nach, und der Blutdruck sackt ab. Das bezeichnet man fachsprachlich als Endotoxinoder septischen Schock. Schockpatienten sind unruhig, und ihr Bewusstsein ist getrübt. Sie sind bleich und fühlen sich oft klamm an. Ihre Haut ist zyanotisch (blauviolett getönt) und sieht marmoriert aus. Der Blutdruck ist lebensbedrohlich niedrig. Die Basis der Schockbehandlung besteht als erstes in der Auffüllung des Blutkreislaufs mit Blutersatz, etwa Kochsalzlösung, wodurch die Gewebedurchblutung wieder aktiviert wird. Zweitens wird mit schmerzstillenden und beruhigenden Mitteln (z. B. Morphium und Diazepam) der Schmerz bekämpft. Die dritte Maßnahme in der Schockbehandlung ist die Sauerstoffgabe, und schließlich viertens wird Natriumkarbonat in einer Infusion verabreicht, um das saure Stoffwechselmilieu zu bekämpfen.

Wenn Blutverlust den Schock ausgelöst hat, besteht die erste Behandlung darin, dass man das Blutvolumen durch Infusion eines Volumenersatzmittels – etwa Plasmaersatz – auffüllt. In der Klinik erfolgt dann bei schweren Blutverlusten eine Bluttransfusion.

Septischer Schock

Handelt es sich um einen septischen Schock, braucht der Körper ebenfalls Infusionen (oft Kochsalzinfusionen) obwohl das Blut sich in den Gefäßen angesammelt hat. Die Infektion wird außerdem mit hohen Dosen von Antibiotika behandelt, die oft durch eine Infusion in eine Vene verabreicht werden. Patienten mit einem kardiogenen Schock, der etwa durch einen Herzinfarkt ausgelöst wurde, bekommen ebenfalls Infusionen, denen bestimmte Medikamente beigefügt sind. Die Übertragung größerer Blut- oder Flüssigkeitsmengen muss vorsichtig erfolgen, weil diese zusätzlichen Flüssigkeiten das Herz überlasten und dadurch ein Herzversagen auslösen können. Deshalb wird bei Schockpatienten regelmäßig der zentrale Venendruck im rechten Herzvorhof gemessen.

Zum Messen des Drucks wird durch eine Halsvene ein Schlauch geführt, und der Druck wird mit einem Manometer außerhalb des Körpers gemessen. Wenn der Druck zu hoch ist, befindet sich zu viel Flüssigkeit im Kreislauf; ist er zu niedrig, besteht ein Flüssigkeitsmangel.

Luftpumpe und Ballon

Ein anderer Weg, den kardiogenen Schock zu behandeln, wäre der Einsatz einer intraaortalen Ballonpumpe. Diese Ballonpumpe ist länglich und wird in den oberen Teil der Aorta, der größten vom Herzen wegführenden Arterie, eingeführt und mit einem Schlauch an eine Luftpumpe außerhalb des Körpers angeschlossen. Der Ballon wird jeweils zwischen den Herzschlägen aufgepumpt und hilft so, das Blut durch die Arterien zu pumpen. Wenn sich das Herz wieder erholt hat, wird der Ballon entfernt.

Prognose

Die Aussichten für einen Schockpatienten hängen weitgehend von seinem Allgemeinzustand und von der Ursache des Schocks ab. Ein gesunder Mensch, der bei einem Unfall viel Blut verloren hat, dessen Verletzungen aber nicht allzu schwer sind, erholt sich im allgemeinen nach einer Bluttransfusion und der Behandlung seiner Verletzungen wieder.