Riesenwuchs

Ungewöhnlich große Menschen bezeichnet man als riesenwüchsig. Diese Erkrankung ist äußerst selten und lässt sich bei frühzeitigem Erkennen mit Erfolg behandeln.

Riesenwuchs (Gigantismus) und Akromegalie, eine verwandte Erscheinung, bei der nur Gesicht, Kiefer, Hände und Füße vergrößert und vergröbert sind, werden durch eine Störung im Wachstumsprozess ausgelöst, von der das Knochenwachstum betroffen ist. Beide Erscheinungsbilder werden durch die Überproduktion von Wachstumshormon in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) verursacht. Geschieht dies vor dem 15. Lebensjahr, kommt es zu Riesenwuchs, stellt sich die Störung nach dem 15. Lebensjahr ein, entwickelt sich eine Akromegalie.

Ursachen

Die Hirnanhangdrüse sitzt an der Schädelbasis unterhalb des Gehirns. Sie produziert mindestens neun Hormone, die in ihrem Aufbau einander ähneln. Jedes dieser Hormone hat eine eigene Funktion und reguliert die Hormonbildung in den anderen Drüsen des Organismus. Eines dieser neun Hormone ist das Somatotropin oder Wachstumshormon. Bildet sich in der Hirnanhangdrüse ein Tumor, kommt es zu einer Überproduktion dieses Hormons, und als Folge davon – je nach Alter – zu Riesenwuchs oder Akromegalie.

Die Epiphysen

Das Längenwachstum der Knochen in den Gliedmaßen spielt sich in der Epiphyse ab, einer Knorpelschicht an beiden Enden der Knochen. Hier findet nach der Embryonalzeit das Wachstum der Knochen statt. Das Knorpelgewebe vermehrt sich leichter als das Knochengewebe. Die Epiphysen sind also Wachstumszentren. Solange sie vorhanden sind, wachsen die Knochen in die Länge und damit der ganze Mensch. Schließlich verknöchern die Epiphysenscheiben, und dies bedeutet das Ende des Längenwachstums. Die Verknöcherung der Epiphysen beginnt im 14. bis 17. Lebensjahr und endet bei Männern im 23. Lebensjahr. Das Wachstumshormon ist der wichtigste Faktor bei der Regulierung des Knochenwachstums, aber auch die Ernährung, Vitamin D sowie die Geschlechts- und Schilddrüsenhormone spielen dabei eine Rolle.

Tumorbildung

Kommt es nun durch Tumorbildung in der Hirnanhangdrüse vor Erreichen des 15. Lebensjahres und damit vor dem Abschluss des Knochenwachstums zu einer Überproduktion von Wachstumshormon, kann der Patient eine Körpergröße zwischen 2.10 und 2.40 m erreichen. Tritt die verstärkte Hormonausschüttung nach Beendigung des Längenwachstums ein, kommt es zu der für Akromegalie charakteristischen Vergröberung an Gesicht, Händen und Füßen. Auffälligstes Symptom des Riesenwuchses ist die anomale Körpergröße, die der Patient vor Abschluss des Längenwachstums erreichen kann.

Als weitere Symptome stellen sich eventuell Tremor (Muskelzittern) sowie zunehmende Mattigkeit und Erschöpfung ein. Desgleichen kommt es auch zu Störungen in der Sekretion jener Sexualhormone, die in der Hypophyse gebildet werden. Die Entwicklung der Keimdrüsen wird dadurch beeinträchtigt. Weit langsamer entwickeln sich die Symptome der Akromegalie. Typisch ist eine Verbreiterung des Gesichts und eine Vergrößerung des Kiefers, bis schließlich die untere Zahnreihe nicht mehr hinter, sondern vor der oberen liegt. Hände und Füße werden massig und breit, die allgemeine Grobknochigkeit führt zu einer vornübergebeugten Haltung. An Lippen, Zunge, Ohren, Kehlkopf und Nase bildet sich vermehrt weiches Gewebe.

Riesenwuchs zu diagnostizieren ist in der Regel heutzutage ziemlich einfach. Die Veränderungen bei Akromegalie hingegen gehen derart langsam vor sich, dass Familienangehörige und auch der Hausarzt sie selten wahrnehmen. Meist ist es ein Freund, der den Patientenjahrelang nicht gesehen hat, oder ein Spezialist, der ihn zuvor nicht kannte, dem die Anomalien zuerst auffallen. Zur Unterstützung der Diagnose ist dann eine sorgfältige Bestimmung der Wachstumshormonspiegel erforderlich.

Risiken

Hauptrisiko bei Riesenwuchs und Akromegalie gleichermaßen ist die Zerstörung der Hirnanhangdrüse durch den Tumor und die daraus erwachsenden Stoffwechselstörungen. Tritt dieser Fall ein, kommt es zu einem Versagen der Schilddrüse, deren Funktion durch in der Hypophyse gebildete Hormone reguliert wird. Mattigkeit und Erschöpfung nehmen zu, bis schließlich der Tod eintritt.

Bei Riesenwuchs bleiben die Keimdrüsen in ihrer Entwicklung zurück und der Patient ist unfruchtbar beziehungsweise zeugungsunfähig. Bei Akromegalie nehmen häufig Libido und Potenz ab, und auch hier kann Sterilität die Folge sein. Als erschwerend treten bei Akromegalie häufig Sehstörungen und Kopfschmerzen sowie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und Bluthochdruck auf. Dies führt zu einer Schädigung der Blutgefäße und im weiteren Verlauf zu einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und einer Erkrankung der Nieren. Es ist sehr wichtig, auf derartige Komplikationen zu achten, da sie längerfristig das Leben des Patienten gefährden können. Sowohl bei Riesenwuchs als auch bei Akromegalie sollte die Behandlung sofort nach Sicherung der Diagnose einsetzen.

Behandlung

Der Tumor, der all diese Störungen ausgelöst hat, kann entweder chirurgisch entfernt oder durch Strahlenbehandlung zerstört werden. Bei einer Operation ist es in manchen Fällen möglich, den Tumor zu entfernen und den intakten Rest der Hirnanhangdrüse zu erhalten, so dass die übrigen Drüsen funktionsfähig bleiben.

Bei einer Strahlenbehandlung wird häufig mit Gammastrahlen gearbeitet, und in manchen Behandlungszentren kommt auch Hochvoltbestrahlung zum Einsatz. Eine andere Möglichkeit der Behandlung besteht darin, die weitere Bildung von Wachstumshormon durch Verabreichung von Medikamenten mit dem Wirkstoff Bromocriptin zu unterbinden. Diese Therapie hilft in wenigen Fällen.