Reizkolon

Das Kolon ist der Dickdarm. Schätzungsweise 40 Prozent der Patienten, die einen Gastroenterologen (Facharzt für Magen- und Darmkrankheiten) aufsuchen, leiden an einem Reizkolon. Die Ursache dieser Gesundheitsstörung ist unklar, doch mit Sicherheit sind psychische Faktoren beteiligt.

Im Laufe der Jahre hat man verschiedene Bezeichnungen für dieses Krankheitsbild verwendet, unter anderem Kolonneurose, spastisches Kolon und nervöse Diarrhö. Die Ärzte sprechen heute vorwiegend vom irritablen Kolon, also Reizkolon, obwohl genau genommen nicht nur das Kolon, sondern oft der gesamte Magen-Darm-Trakt betroffen ist.

Die Symptome können fast in jedem Alter auftreten, doch für gewöhnlich setzen sie im frühen Erwachsenenalter ein. Bei Jugendlichen und Kindern sind sie selten.

Symptome

Fast immer ist ein Reizkolon mit Schmerzen verbunden. Die Art der Schmerzen kann von Mensch zu Mensch ganz unterschiedlich sein. Im allgemeinen sind sie krampf- oder kolikartig und halten einige Minuten bis mehrere Stunden an. Der Schmerz tritt bevorzugt im linken Unter- oder Oberbauch auf, kann aber auch an jeder anderen Stelle im Bereich des Bauches vorkommen, also auch dicht unter den Rippen oder in der Leistengegend. Die meisten Patienten leiden auch an Blähungen; diese können in regelmäßigen Abständen laute Gurgelgeräusche im Bauch hervorrufen. Manchmal geht beim Stuhlgang eine große Menge Gas mit ab. Besonders junge Patienten haben morgens Durchfall, nicht selten im Wechsel mit Verstopfung. Sehr dünner Stuhlgang ist aber sonst selten; der Normal fall ist eher ein wenig ergiebiger Stuhlgang in relativ kurzen Abständen, wobei die Patienten das Gefühl haben, dass der Darm sich nicht richtig entleert hat.

Manchmal wird mit dem Stuhl Schleim ausgeschieden. Viele Patienten klagen auch über verschiedene Arten von Magen-Darm-Störungen wie Übelkeit oder Sodbrennen.

Psychische Ursachen

Es gibt eine Vielfalt von Erklärungsversuchen für das Phänomen des ReizkoIons. Bei vielen Patienten besteht jedoch ein klarer Zusammenhang mit psychischen Störungen, Überlastungserscheinungen oder Depressionen. Die Darmtätigkeit wird vom autonomen oder vegetativen Nervensystem gesteuert, das heißt, sie unterliegt nicht unserem Willen. Das autonome Nervensystem wird aber seinerseits von psychischen Faktoren beeinflusst, so dass einem Reizkolon durchaus psychische Ursachen zugrunde liegen können. Patienten mit einem Reizkolon weisen oft eine ganz bestimmte Persönlichkeitsstruktur auf. Bei dieser Patientengruppe dominieren – bei gleichzeitiger unterschwelliger Aggressivität – übermäßig angepasste Verhaltensweisen mit pedantischen Zügen und starkem Ordnungssinn oder auch Zügen von Trotz und ständigr Opposition. Gleichzeitig müssen sich diese Menschen durch Leistung beweisen und sind deshalb erheblichen Stressoren – Faktoren, die sie „unter Druck setzen“ – ausgesetzt.

Manche Ärzte vermuten, ein Reizkolonsei Folge einer zu ballaststoffarmen Ernährung, doch ist dies unbewiesen, obwohl eine an Ballaststoffen reiche Kost durchaus zu einer Linderung der Symptome beitragen kann. Bei manchen Patienten treten die Symptome offenbar immer dann auf, wenn sie bestimmte Speisen zu sich genommen haben, und möglicherweise ist in einigen wenigen Fällen eine Nahrungsmittelallergie die Ursache der Beschwerden.

Gelegentlich treten die Symptome des Reizkolons zum ersten Mal nach einer Darminfektion wie Gastroenteritis auf.

Untersuchung

Da die Symptome des Reizkolons denen verschiedener organischer Erkrankungen ähneln oder gleichen, wird der Arzt andere mögliche Ursachen sorgfältig ausschließen. Er nimmt eine gründliche Untersuchung vor, die im allgemeinen auch eine Untersuchung des unteren Darmabschnitts mit einschließt. Danach werden Blutuntersuchungen auf Anämie oder Infektionsherde vorgenommen. Im Rahmen dieser Untersuchungen ist es wichtig, entzündliche Darmerkrankungen wie eine Colitis ulcerosa oder einen Morbus Crohn auszuschließen. Wenn die Diagnose zweifelhaft bleibt, kann der Arzt eine Darmspiegelung oder eine Röntgenuntersuchung vorschlagen. Durch diese Untersuchungen können Tumore und Divertikulitis (Ausstülpungen in der Darmwand) ausgeschlossen werden.

Behandlung

Wenn die Diagnose feststeht, spricht der Arzt im allgemeinen ausführlich mit dem Patienten über seine Krankheit. Der Kranke muss sich mit der Tatsache vertraut machen, dass die Schmerzen und die Verdauungsstörungen mit bestimmten Aspekten seiner Lebensweise und seines Verhaltens zusammenhängen. Übertriebener Ehrgeiz oder Stress im Beruf oder zu Hause können Faktoren sein, die die Symptome auslösen, und der Patient hat es deshalb möglicherweise selbst in der Hand, eine Heilung herbeizuführen. Es kann ratsam sein, dass der Patient eine Zeit lang über seinen Tagesablauf und die aufgetretenen Symptome Buch führt. So können in manchen Fällen die auslösenden Faktoren ermittelt werden.

Verhaltenstherapie

Spielen gravierende psychische Störungen eine Rolle, wird sich der Patient möglicherweise in die Obhut eines Psychiaters oder Psychotherapeuten begeben müssen. Da es schwierig sein kann, dem Patienten klarzumachen, dass seiner Krankheit eine psychische Problematik zugrunde liegt, kann vor allem eine Verhaltenstherapie zu positiven Ergebnissen führen. Der Therapeut wird wahrscheinlich raten, mittels regelmäßiger sportlicher Betätigung und Entspannungstechniken wie Yoga oder autogenem Training die Lebensweise positiv zu ändern.

Wenn die Darmtätigkeit sehr unregelmäßig ist, kann eine maßvolle Erhöhung des Ballaststoffanteils in der Nahrung günstige Auswirkungen haben: Vollkornprodukte, Obst und Gemüse sollten häufiger auf dem Speisezettel stehen. Gemieden werden sollten auf alle Fälle Nüsse, Tomaten, Zitrusfrüchte, Alkohol, Schokolade und Zwiebeln. Auch Medikamente können gegen ein Reizkolon verschrieben werden, doch wirken sie nicht immer. Manchen Menschen helfen krampflösende Medikamente, anderen dagegen nicht. In vielen Fällen hat sich Pfefferminzöl in Kapseln bewährt.

Wenn der Patient an Durchfall leidet, muss er immer dann, wenn die Symptome zu stark werden, ein Mittel gegen Durchfall nehmen. Viele Menschen mit Reizkolon stellen fest, dass ihr Leiden sich bessert, wenn sie es schaffen, ihre Lebensweise zu harmonisieren, indem sie einfach gelassener werden. Auch lassen die Beschwerden mit zunehmendem Alter nach.