Wenn wir krank sind, können uns Medikamente dabei unterstützen, gesund zu werden. Wie aber werden diese Medikamente entwickelt, wie werden sie verteilt? Bis zum Zweiten Weltkrieg standen den Ärzten nur relativ wenige Medikamente zur Verfügung, auf deren Heilwirkung sie vertrauen konnten. Inzwischen hat sich das Bild gründlich gewandelt: Es gibt eine riesige Anzahl von Medikamenten in einer Reihe verschiedener Darreichungsformen. Diese Entwicklung beruht auf der Arbeit von Pharmakologen – Apothekern, Ärzten und Wissenschaftlern, die medizinische Forschung betreiben – und der pharmazeutischen Industrie, die Medikamente entwickelt und herstellt.
Im Unterschied zur Pharmakologie, die die Wechselwirkung zwischen Wirkungssubstanzen (Pharmaka) und Organismen untersucht, beschäftigt sich die Pharmazie mit der Verarbeitung zu geeigneten Arzneien und deren Qualitätsprüfung. Die gewaltige Zunahme an Medikamenten ist zwar von unschätzbarem Wert, hat aber auch Probleme mit sich gebracht. Sowohl Ärzte als auch Apotheker, die für die Verschreibung und Ausgabe der Medikamente verantwortlich sind, müssen stets über die neuesten Entwicklungen auf dem laufenden sein und auf mögliche Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen der neuen Medikamente achten. Als zunehmend problematisch werden die Wirkungsverstärkung und das Auslösen unberechenbarer Nebenwirkungen durch die gleichzeitige Einnahme verschiedener Medikamente erachtet. Der Weg von der Herstellung eines Medikaments aus chemischen Grundstoffen über die Verschreibung durch den Arzt und die Ausgabe durch den Apotheker ist lang und kompliziert und setzt die fachkundige Mitarbeit vieler Menschen voraus. Früher wurden vom Arzt verordnete Mittel in der Apotheke aus wenigen Grundbestandteilen zubereitet. Das kommt heute nur noch selten vor, und die Aufgabe des Apothekers beschränkt sich im allgemeinen auf die Ausgabe gebrauchsfertig abgepackter Medikamente. Das heißt jedoch nicht, dass die Arbeit des Apothekers leichter geworden ist, denn die Anzahl der verfügbaren Medikamente hat sich vervielfacht. Die pharmazeutische Industrie ist ein Teil der chemischen Industrie. Viele der in aller Welt verwendeten Medikamente werden von riesigen multinationalen Konzernen hergestellt. Die Pharmazie stellt auch viele Kosmetika her, da an kosmetische Artikel dieselben strengen Anforderungen hinsichtlich Reinheit und Erprobung gestellt werden wie eben auch an Medikamente.
Patentrecht
Wenn ein pharmazeutisches Unternehmen ein neues Mittel auf den Markt bringt, kann es sich das Herstellungsverfahren patentieren lassen. Dadurch hat das Unternehmen die Möglichkeit, seinen Investitionsaufwand für Forschung und Entwicklung des neuen Medikaments über den Verkauf wieder hereinzuholen. Ist ein Medikament nicht mehr patentrechtlich geschützt, „die Zeit ist abgelaufen“, kann es von jedem anderen pharmazeutischen Unternehmen hergestellt werden. Es gibt viele Unternehmen, die ausschließlich von der Produktion erprobter Medikamente unter einem anderen Namen leben und nie selbst ein Mittel entwickeln. Das bedeutet, dass diese Unternehmen Medikamente auf den Markt bringen, die einen neuen Markennamen oder ihren international eingeführten „Gattungsnamen“ erhalten. Der Gattungsname ist die Bezeichnung für die chemische Substanz, z.B. Acetylsalicylsäure. Aus den Unterschieden zwischen Gattungs- und Markennamen erklärt sich, warum Medikamente manchmal unter verschiedenen Namen im Handel sind – eine Situation, die für den Patienten verwirrend sein kann. Da die Präparation des Medikaments ganz ins Belieben des jeweiligen Herstellers gestellt ist, kann man beispielsweise Tabletten bekommen, die eine ganz andere Form, Größe und Farbe haben als Tabletten, die früher auf ein gleichlautendes Rezept ausgegeben wurden. Der Wirkstoff ist aber immer der gleiche. Die Herstellung eines Medikaments ist ein komplizierter Prozess. Es gibt zwar viele verschiedene Darreichungsformen, von Sprays über Tropfen und Säfte bis hin zu Salben, Zäpfchen und Klistieren, aber die meisten Medikamente werden heute in Tabletten- oder Pillenform eingenommen. Eine Tablette enthält oft nur wenige Milligramm eines Wirkstoffs. Die meisten Tabletten enthalten nur einen einzigen Wirkstoff, aber es gibt auch viele mit einer Mischung aus verschiedenen Wirkstoffen. Die Einbringung dieser wenigen Milligramm Wirkstoff in eine Tablette, die mehrere hundert Milligramm wiegt, bezeichnet man als Galenik. Die Herstellung von Medikamenten ist eine der traditionellen Aufgaben von Apothekern. Deshalb arbeiten viele Apotheker in der Industrie an der Entwicklung von geeigneten Herstellungsverfahren für Medikamente.
Chemisch stabil
Um die beabsichtigte Wirkung auszulösen, müssen Medikamente auch dann noch chemisch stabil sein, wenn sie längere Zeit im Regal der Apotheke liegen. Im Idealfall sollte sich die Nahrung im Verdauungstrakt nicht darauf auswirken, wie viel Wirkstoff aus dem Medikament ins Blut gelangt. Dieses Ziel ist aber oftmals schwer zu erreichen. Das ist auch der Grund dafür, dass die Einnahmevorschriften auf der Packung – ob das Medikament vor oder nach dem Essen einzunehmen ist – streng beachtet werden müssen. Medikamente sind oft so präpariert, dass der Wirkstoff im Laufe vieler Stunden allmählich in den Blutkreislauf gelangt; man spricht in diesem Fall von Retardformen. Die Verzögerung des Medikamentenabbaus durch Retardarzneimittel bewirkt eine konstante Wirkstoffkonzentration im Blut. Dadurch ist es möglich, die Wirkungsdauer der Arzneien auf den Organismus erheblich zu verlängern, so dass man die Tabletten nicht so oft einnehmen muss. Das Herstellungsverfahren kann sich stark darauf auswirken, welche Menge des Arzneistoffs nach Einnahme des Medikaments in den Blutkreislauf gelangt. So können zwei unterschiedlich hergestellte Tabletten mit identischer Wirkstoffmenge ihren Wirkstoff in unterschiedlichem Maß an den Organismus abgeben. Deshalb müssen die Herstellungsverfahren sorgfältig standardisiert werden. Es hat Fälle gegeben, in denen Unternehmen das Herstellungsverfahren geändert haben und sich dadurch die Wirkung des Medikaments tatsächlich verstärkt hat.
Ausgabe von Arzneien
Wenn ein neues Medikament zugelassen worden ist, wird es an Krankenhäuser und Apotheken zur Ausgabe geliefert. Zur Ausgabe von Medikamenten, rezeptfrei oder rezeptpflichtig, sind nur Apotheken berechtigt. Die Aufgabe des Apothekers erschöpft sich aber keineswegs darin, die Medikamente aus dem Regal zu nehmen und sie den Patienten auszuhändigen. Der Apotheker muss die richtigen Dosierungen vieler verschiedener Medikamente kennen, und wenn die Dosis auf einem Rezept nicht klar erkenntlich ist, muss er beim Arzt nachfragen. Der Apotheker kennt auch die Medikamente, die mit anderen Arzneien unverträglich sind, und wird sich umgehend mit dem Arzt in Verbindung setzen, falls er eine solche Unverträglichkeit befürchtet. Der Apotheker muss in der Lage sein, verschiedene Medikamente aus bestimmten Wirksubstanzen selbst zuzubereiten, und darauf achten, dass die Lagerungsvorschriften für Medikamente strikt beachtet werden. Strenge Vorschriften gibt es auch dafür, wie bestimmte Medikamente, zum Beispiel Barbiturate (Beruhigungs- und Schlafmittel) und morphiumähnliche Mittel, unter Verschluss zu halten sind. Darüber hinaus muss der Apotheker eine rationelle Vorratshaltung betreiben. Er muss wissen, welche Medikamente erhältlich sind und regelmäßig verlangt beziehungsweise verordnet werden, und diese Medikamente vorrätig haben.
Der Apotheker im Krankenhaus hat im wesentlichen ganz ähnliche Aufgaben. In Krankenhäusern wird jedoch eine noch viel größere Vielfalt von Medikamenten eingesetzt. So werden beispielsweise Injektionen in Krankenhäusern viel häufiger benötigt als außerhalb eines Krankenhauses. Die Krankenhaus-Apotheke muss auch vielseitige Infusionen bereithalten. Schließlich muss der Krankenhaus-Apotheker auch den Medikamentenbedarf der verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses einschließlich der Operationssäle decken.