Medikamente

Bei der Erforschung und Entwicklung von Medikamenten werden ständig Fortschritte verzeichnet. Inzwischen sind so viele Medikamente auf dem Markt, dass es sogar für Ärzte nahezu unmöglich ist, den Überblick zu behalten. Nach der Weltgesundheitsorganisation sind Medikamente oder Arzneimittel Stoffe oder Produkte, die benutzt werden, um Lebensvorgänge oder Krankheiten zum Wohle des Empfängers zu beeinflussen oder zu erforschen.

Die ersten Medikamente

Die ersten Medikamente wurden vermutlich zufällig entdeckt, als Menschen der Vorzeit merkten, dass gewisse Pflanzen Schmerzen linderten oder Wunden durch sie besser heilten. Mit der Zeit wurde das durch Vermutung und Probieren Herausgefundene zu einem geordneten Wissenssystem – der Kräuterheilkunde. Die Kräuterheilkunde diente zunächst der Erforschung und Anwendung von Pflanzen mit heilender und giftiger Wirkung. Die Chinesen praktizierten schon vor 5.000 Jahren eine hoch entwickelte Form dieser Wissenschaft. Auch die Hochkulturen der Antike verfügten über zahlreiche Medikamente. Die Ägypter etwa kannten und benutzten mehr als 950 heilkräftige Substanzen. Die Griechen konnten die heilende Wirkung von 600 Pflanzen nachweisen, und die Römer stellten einen Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit von Heilmitteln und dem öffentlichen Gesundheitswesen her. Sie hatten bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. ein sehr gut funktionierendes Abwassersystem. Die Römer verbreiteten ihre Arzneien im ganzen Imperium, wo diese über Jahrhunderte Anwendung fanden. Während dieser Zeit gab es auch immer wieder Ärzte, die herauszufinden versuchten, weshalb bestimmte Pflanzen auf bestimmte Krankheiten wirkten. Im allgemeinen aber galten Krankheiten allerdings entweder als Strafe Gottes oder als Rache der Feinde, daher Medikamente wurden meist als Schutz gegen das Böse eingesetzt, oft im Zusammenhang mit einem Zauberspruch.

Hände der Götter

In der Antike und im Mittelalter wurden die Arzneien als Hände der Götter bezeichnet. Erst im Zeitalter der Aufklärung – mit dem Beginn des naturwissenschaftlichen Denkens – kündigte sich ein Wandel an. Die Arzneien wurden vom Makel der Magie befreit, weil zunehmend chemische Aspekte die Arzneiwissenschaft prägten. Während die mittelalterliche Wissenschaft von den Arzneimitteln noch durch das Sammeln und Aufbewahren vielfältiger Rezepturen geprägt war, begann um 1800 die systematische Erforschung spezifischer Heilpflanzenwirkstoffe.

Fingerhut

Ein Beispiel für die Wende in der Arzneiwissenschaft war die Erforschung des Fingerhutes, der im Mittelalter als Abführmittel und Wundkraut diente. Sie führte zur Entdeckung einer spezifischen Wirkung, die zum grundlegenden Bestandteil einer systematischen Anwendung als Stärkungsmittel für das kranke Herz wurde. Es begann damit, dass der englische Arzt William Withering am Birminghamer Spital auf Anraten einer alten Frau einem herzkranken Patienten mit Wassersucht eine Abkochung aus Fingerhut (Digitalis purpurea) verordnete. Obwohl schon vor ihm einige Wissenschaftler sich mit dieser Heilpflanze beschäftigt hatten, ist es doch Witherings Verdienst, systematisch die Anwendung und Dosierung des Fingerhutes erforscht zu haben. Das Resultat seiner Forschung waren präzise Dosierungsanweisungen, durch die Nebenwirkungen maximal reduziert wurden. Später geriet diese Heilpflanze allerdings in Verruf, weil durch Überdosierungen häufig Vergiftungen auftraten. Erst als die chemische Reindarstellung der Wirkstoffkomponente Digitalisglykosid gelang, gewann der Fingerhut erneut medizinisches Interesse.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann dann die Ära der Herzglykosidtherapie. Heute werden halbsynthetische Fingerhutwirkstoffe verwendet, das heißt, dass die wirksamen Fingerhutkomponenten chemisch verändert werden. Diese Herzglykoside sind das klassische Mittel bei chronischen Herzkrankheiten. Der Fingerhutwirkstoff steigert die Schlagkraft des Herzens, wodurch das Herz rationeller arbeitet. Eine gut dosierte Glykosidtherapie zeigt sich darin, dass die Durchblutung sich verbessert und Wasseransammlungen (Ödeme) ausgeschwemmt werden. Durchfall, Kopfschmerzen und Gelbsichtigkeit sind Zeichen einer Überdosierung. Nur bei wenigen Wirkstoffen ist der Grad zwischen therapeutischer Gabe und Überdosierung so eng wie beim Fingerhut.

Arzneiwissenschaft heute

Das Beispiel des Fingerhutwirkstoffes zeigt eindrucksvoll die medizinische Forschungsentwicklung, aber auch, wie ein Arzneiwirkstoff in der Hand eines Unkundigen zum Gift werden kann. Die Ermittlung der richtigen Dosierung (Dosis-Wirkungsbeziehung) ist ein sehr wichtiger Aspekt in der Arzneiwissenschaft. Die Entwicklung neuer Arzneimittel erfolgt zum größten Teil in den Laboratorien der pharmazeutischen Industrie. Die meisten Medikamente werden synthetisch, daher aus chemischen Substanzen hergestellt, viele aber auch aus Heilpflanzen. Es besteht heute eine gewisse Tendenz, synthetische Arzneien abzulehnen und reine Naturheilmittel vorzuziehen, da diese in der Regel weniger Nebenwirkungen haben. Es gibt aber keine grundsätzliche Garantie dafür, dass Naturheilmittel besser sind als chemische Produkte, da die Prüfung von Wirkung und Nebenwirkung bei allen Herstellungsverfahren gleich sind. Viele synthetische Medikamente konnten erst nach exakter Erforschung der Naturwirkstoffe hergestellt werden. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Acetylsalicylsäure, die aus der Weidenrinde isoliert werden konnte. Die Weidenrinde war seit Generationen bekannt für ihre gute Wirkung gegen Rheuma und Schmerzen.

Arzneimittelformen

Arzneimittel werden je nach Anwendungsgebiet in verschiedenen Darreichungsformen hergestellt. Die Tablette ist die häufigste Darreichungsform. Sie ist weiß, rund und enthält die Arzneistoffe in gepulverter Form. Ihre Auflösung im Verdauungstrakt wird durch Quellstoffe wie Stärke erleichtert. Pillen sind Kugeln, die aus einer teigigen, knetbaren Grundsubstanz mit entsprechenden Inhaltsstoffen gedreht werden. Damit sie nicht zusammenkleben, erhalten sie oftmals einen glatten Überzug. Pillen sind meist bunt.

Kapseln sind kleine, im Magen-Darm-Trakt lösliche Behälter, in denen sich der spezielle Wirkstoff befindet. Sie werden – wie die Tabletten und Pillen auch – oral (durch den Mund) eingenommen. Zäpfchen führt man in den Anus ein (rektal). Dadurch wird der Verdauungstrakt umgangen. Sie enthalten ihre Arzneimittel in einer festen, bei Körpertemperatur schmelzenden Grundmasse und besitzen eine örtliche Wirkung auf die Darmschleimhaut. Als Tinkturen werden alkoholische Auszüge aus Pflanzen bezeichnet, die innerlich oder äußerlich angewendet werden können. Salben sind Emulsionen von Wasser in Öl oder Öl in Wasser. Sie werden auf die Haut oder Schleimhaut aufgetragen und können einen Wirkstoff enthalten, wie zum Beispiel Kortison. Puder besteht aus fein zerkleinerten, festen Substanzen und wird nur äußerlich angewandt. Aufnahme und Abbau Am häufigsten wird die orale Zufuhr eines Medikaments angewandt.

Die Zeitdauer der Aufnahme, die Resorptionsgeschwindigkeit, hängt von der Darreichungsform, der Wirkstoffzubereitung und dem Füllungszustand des Magens ab. Meistens erfolgt die Resorption (Aufnahme) durch die Dünndarmschleimhaut. Mit dem venösen Blut gelangt der Wirkstoff über eine große Vene, die Pfortader, in die Leber. In der Leber erfolgen dann die Umwandlungs- und Abbauvorgänge des Medikaments. Häufig wird die Leber durch eine Injektion des Medikaments oder Zäpfchengabe umgangen, um sie zu schonen. Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt im Rahmen der Arzneibehandlung. Ein anderer Grund für die Umgehung der Leber ist beispielsweise auch der, dass es Arzneien gibt, die in der Leber zu schnell abgebaut werden und dadurch ihre Wirksamkeit verlieren. Die Injektionsbehandlung hat auch den Vorteil der schnelleren Wirkung. Nachteilig ist allerdings, dass sie durch medizinisches Personal ausgeführt werden muss.

Die Ausscheidung der Medikamentenabbauprodukte erfolgt vorwiegend über die Niere mit dem Urin und durch den Stuhl. Nur in Spuren findet man diese Produkte im Speichel, Schweiß und in der Ausatmungsluft.