Plakate, mit denen um Hilfe für die Entwicklungsländer geworben wird, zeigen oft Kinder mit dicken Bäuchen. Diese leiden meistens nicht an Hunger. Ihre Krankheit heißt Kwashiorkor und ist Folge einer Mangelernährung.
Kwashiorkor ist eine Krankheit bei Kindern, verursacht durch einen großen Mangel an Eiweiß und Vitaminen. Bei uns ist Kwashiorkor eher bekannt unter dem Namen „Mehlnährschaden“. In Ländern der Dritten Welt ist diese Krankheit am meisten verbreitet. In einigen Gebieten leiden zwischen 50 bis 80 Prozent der Kinder unter fünf Jahren mehr oder weniger ausgeprägt an Kwashiorkor. Die Sterblichkeitsrate liegt mit 50 Prozent sehr hoch. In Landstrichen mit Hungersnot, Dürre oder Krieg tritt Kwashiorkor besonders häufig auf, und die Schwere der Krankheit sowie die Sterblichkeitsrate nehmen zu.
Kwashiorkor ist eine Folge unausgewogener Ernährung, die oft auf überholte Gebräuche verbunden mit mangelnder Aufklärung und fehlendem Wissen über gesunde Ernährungsweise zurückgeht. Kinder, die gestillt werden, erhalten die für eine normale gesunde Entwicklung erforderlichen Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate mit der Muttermilch. In Ländern der Dritten Welt werden Säuglinge jedoch oftmals sehr früh entwöhnt (Kwashiorkor, ghanisch, heißt „der Abgesetzte“), etwa, wenn ein weiteres Kind geboren wird, das dann dem anderen Kind diese lebenswichtige Nährquelle entzieht. Der abgestillte Säugling wird mit Nahrungsmitteln wie Mais, Reis und Tapioka (Stärkemehl aus den Knollen des Maniokstrauches) gefüttert. Sie enthalten zwar viel Kohlenhydrate (Stärke), aber wenig Eiweiß und Vitamine. Nach drei Monaten mit dieser Mehlersatznahrung, die mit Wasser zubereitet wird, treten die ersten Krankheitszeichen auf.
Was die Krankheit offenbar auch begünstigt, ist die Sitte, das abgestillte Kind zu einer Tante in ein Nachbardorf zu geben. Es wird vermutet, dass dieser abrupte Entzug der mütterlichen Zuwendung dazu führt, dass das Kind sich in sich selbst zurückzieht, teilnahmslos wird und auch kein Interesse daran hat, zu essen. In beiden Fällen ist das Ergebnis eine Mangelernährung im Hinblick auf lebenswichtige Eiweiß- und Fettanteile sowie Mineralstoffe und Vitamine. Diese Fehlernährung bewirkt körperliche und geistige Veränderungen.
Symptome
Ein erkranktes Kind ist apathisch und fühlt sich elend, was sein leises Wimmern deutlich macht. Es zeigt kein Interesse an seiner Umwelt, spielt nicht und verscheucht nicht einmal Fliegen und Insekten, die über seine Haut krabbeln. Oft tritt eine leichte rötliche Färbung der Haut und Haare auf, die vermutlich auf eine Depigmentierung (Verlust des Körperfarbstoffs) zurückzuführen ist. Deshalb spricht man bei Kwashiorkor auch vom „roten Kind“. In beinahe allen Fällen kommt es zu chronischem Durchfall, einer leichten Anämie (Blutarmut) und dem typischen Wasserbauch.
Dieser große Bauch mag den Anschein erwecken, das Kind sei gut ernährt. Doch ist er lediglich ein Anzeichen für die Schwächung der Bauchmuskulatur, einer vergrößerten, verfetteten Leber und einem übermäßigen Wassergehalt des Körpergewebes. Diese Wasseransammlung im Gewebe (Ödem) wird durch den Eiweißmangel verursacht.
Risiken
Die Sterblichkeitsrate bei Kwashiorkor liegt bei 50 Prozent. Ein Teil der erkrankten Kinder entwickelt einen echten Marasmus (allgemeiner Verfall, Kräfteschwund verbunden mit Abmagerung) und stirbt daran. Andere Kinder sterben, weil sie zu schwach sind, Infektionen, zum Beispiel durch Malariaparasiten oder verschiedene Wurmarten, abzuwehren. Bei einigen Kindern kommt es zu Herzversagen infolge einer Herzmuskelschwächung, weil neben anderen Mineralien das wichtige Kalium fehlt.
Kinder, die am Leben bleiben, sind durch Langzeitschäden in ihrer Gesundheit beeinträchtigt. So kann die Fettleber zu einer Zirrhose (Leberverhärtung) führen, wobei Teile des Lebergewebes verändert, zerstört und dann durch Narbengewebe ersetzt werden. Die Mangelernährung wirkt sich – vor allem da wichtige Aminosäuren fehlen – auf die Hirnfunktion aus. Neben der körperlichen besteht eine geistige Entwicklungsverzögerung.
Behandlung
Bei der Behandlung von Kwashiorkor kommt es insbesondere auf eine ausgewogene Versorgung mit eiweißreicher Nahrung an, die die essenziellen (lebenswichtigen) Aminosäuren enthält. Sowohl Magermilchpulver als auch Sojabohnen beispielsweise haben einen höheren Anteil wertvoller Eiweiße als Fleisch. Die Grundlage einer Behandlung ist deshalb in der Regel die ausreichende Zufuhr dieser Nahrungsmittel.
In schweren Fällen müssen Aminosäuren und auch Mineralstoffe zunächst intravenös zugeführt werden. Die Behandlung kann sich über mehrere Wochen hinziehen, bis die benötigte Menge an körpereigenem Eiweiß aufgebaut ist. Sobald die Ödeme verschwinden, erhält der Bauch wieder seine normale Form und Größe. Das Kind beginnt, sich für seine Umwelt zu interessieren.
Prognose
Der Erfolg der Behandlung hängt auch damit zusammen, inwieweit Malaria und Tuberkulose, die den Krankheitsverlauf mitprägen, unter Kontrolle sind. Am wichtigsten für gute Heilungschancen ist jedoch, dass die Mutter die Zusammenhänge zwischen Mangelernährung und Krankheitssymptomen versteht, bei der Behandlung des erkrankten Kindes mitmacht und weitere Ernährungsfehler vermeidet.