Anwendungsgebiete
Krankengymnastik wird gegen viele Beschwerden verordnet, die sich durch Erkrankung, angeborene Behinderung oder Unfall ergeben haben. So verordnen Ärzte der Fachrichtungen Innere Medizin und Neurologie (Lehre von den Nerven und Nervenkrankheiten) unter anderem Krankengymnastik für Patienten mit Lähmungen und Bewegungsstörungen. Die Schäden gehen vom Gehirn, Rückenmark oder peripheren Nervensystem (Bewegungs- und Empfindungsnerven) aus und treten als Folge von vererbten Krankheiten, Komplikationen nach Infektionskrankheiten, degenerativen (mit Verfall verbundenen) Erkrankungen, Arteriosklerose, Verletzungen oder Tumoren auf.
Orthopädie
Dieses Fachgebiet der Medizin befasst sich mit Schäden am Skelett, die durch Unfall, Krankheit oder ein angeborenes Leiden verursacht wird. Es geht um Knochenbrüche, Verstauchungen und Amputationen. Gebrochene Gliedmaßen werden meist in einem Gipsverband ruhig gestellt, und das bedeutet, dass der Patient die betroffene Extremität drei bis acht Wochen oder länger nicht bewegen kann. Wenn der Gips abgenommen wird, ist der Arm oder das Bein funktionsunfähig. Zur Kräftigung der Muskulatur und zur Wiederherstellung der normalen Beweglichkeit verordnet der behandelnde Arzt Krankengymnastik. Nicht ganz so ernst wie ein Knochenbruch, dafür aber häufiger sind Verletzungen der Bänder und Muskeln. Bei solchen Verletzungen ist eine rasche Behandlung wichtig, damit die volle Funktionsfähigkeit möglichst bald zurückerlangt wird – insbesondere ein Anliegen verletzter Sportler.
Wenn ein Patient einen Arm oder ein Bein verloren hat, wird häufig auch der Krankengymnast zur Auswahl der geeigneten Prothese herangezogen. Von größter Bedeutung ist es, dass der Patient im richtigen Gebrauch der Prothese unterwiesen wird, damit sich in den frühen Stadien der Rehabilitation keine schlechten Angewohnheiten entwickeln. So können dann viele Amputationspatienten mit Hilfe der Prothese ein fast normales Leben aufnehmen.
Kinderheilkunde
Die Kinderheilkunde (Pädiatrie) befasst sich mit den Krankheiten und Verletzungen von Kindern. Viele der bei Erwachsenen angewandten Verfahren eignen sich auch für Kinder. Allerdings sind besondere Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Zum einen befindet sich ein Kind noch im Wachstum, zum anderen verliert es leicht die Übungsmotivation, weil es häufig Sinn und Zweck der Krankengymnastik noch nicht versteht. Bei Kindern mit Zerebralparese – Ursache ist eine Schädigung des Gehirns kurz vor oder während der Geburt – können sich Körperbewegungen und Gleichgewichtskontrolle nicht normal entwickeln. Die Muskeln dieser Kinder erhalten entweder zu viele oder zu wenig Nervenimpulse vom Gehirn. Im ersten Fall sind die Bewegungen angespannt, auch spastisch (verkrampft; daher die Bezeichnung Spastiker), im zweiten Fall ist der Muskeltonus (Normal Spannung in der Muskulatur) zu gering. In der Folge hängen die betroffenen Extremitäten schlaff herunter. Darüber hinaus gibt es Kinder, die beide Bewegungsstörungen haben. Sobald die Verdachtsdiagnose Zerebralparese vorliegt, wird ein Krankengymnast mit entsprechender Spezialausbildung die Behandlung beginnen. Das Ziel ist, dem Kind Körperkontrolle, das Halten des Gleichgewichts und normale Bewegungsabläufe beizubringen. Viele Kinder entwickeln sich nach einer jahrelangen, regelmäßigen Therapie (ein- bis zweimal Krankengymnastik pro Woche) völlig normal.
Atemtherapie
Bei Atemstörungen können spezielle Übungen helfen. Sie haben zum Ziel, die Atemmuskulatur zu lockern sowie das Zwerch- und Rippenfell beweglicher zu machen. Asthma, Bronchitis und die Folgen einer Lungenentzündung können gelindert, Genesungsprozesse unterstützt und nachoperatives Abhusten von Schleim erleichtert werden.
Rheumatologie
Unter diesem Begriff fasst man eine Gruppe von Krankheiten zusammen, zu der auch die rheumatoide Arthritis und Arthrose zählen. Rheumatoide Arthritis (chronisch fortschreitende Gelenkentzündung) befällt viele Gelenke gleichzeitig, beispielsweise die Finger- und Zehengelenke, während die Arthrose zunächst nur ein Gelenk betrifft, das durch eine Verletzung oder durch falsche Belastung stark abgenutzt und geschädigt ist. Hat ein Patient starke Gelenkschmerzen, kann der Krankengymnast vor und nach den Übungen eine Wärme- oder Kältebehandlung anwenden. Krankengymnastik spielt eine große Rolle bei der Behandlung von Verbrennungen. Wenn die Verbrennung über einem Gelenk liegt, zieht sich das Narbengewebe, das sich darüber bildet, zusammen und macht das Gelenk unbeweglich. Während der Heilung muss das Muskel- und Bindegewebe unter dem Narbengewebe beweglich gehalten werden. Mit Massagen werden die Gewebe gedehnt und die Gelenke durch Bewegungsübungen trainiert. Wenn der Patient großflächige Verbrennungen erlitten hat, werden die gymnastischen Übungen auch in warmen Salzbädern durchgeführt, nachdem die Verbände abgenommen worden sind. Das warme Wasser lindert den Schmerz und erleichtert Bewegungen. Beim geistig behinderten Kind beginnt die Behandlung so früh wie möglich. Das Kind wird ermuntert, die Bewegungsabläufe zum Sitzen, Stehen, Gehen und Klettern zu lernen. Die Behandlung zielt darauf ab, dem Kind einen möglichst hohen Grad an Selbständigkeit zu vermitteln, so dass es allein zur Schule gehen, mit dem Bus fahren oder einkaufen kann. Recht häufig geht mit einer geistigen eine körperliche Behinderung einher. Auch in solchen Fällen kann der Krankengymnast darauf hinarbeiten, dass der Patient sich nach normalen Bewegungs- mustern bewegen lernt.
Krebs
Viele Arten von Krebs sind heute heilbar, aber es kann zu Lähmung, Schmerzen, Muskelschwäche und Knochenbrüchen kommen. Auch in einem Endstadium dieser Erkrankung kann der Krankengymnast noch helfen. Durch Massage, Hydrotherapie und gymnastische Übungen bleibt dem Patienten Beweglichkeit seiner Gliedmaße so lange wie möglich erhalten.
Altersheilkunde
Die Altersheilkunde (Geriatrie) befasst sich mit der Pflege und Heilung älterer Menschen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Elastizität der Gewebe ab, Steifigkeit und Schmerzen können die Folge sein. Der Krankengymnast behandelt diese Symptome mit Massage und Bewegungsübungen. Der Arzt verordnet begleitend auch Wärmebehandlung oder Elektrotherapie. Bei älteren Menschen kann mangelnde Beweglichkeit sehr verschiedenartige Folgen haben. Beispielsweise führt ein Schlaganfall oder ein Beinbruch durch die erzwungene Bewegungsunfähigkeit zu Kreislaufstörungen und flacher Atmung und in der Folge zu weiteren inneren Erkrankungen. In diesem Fall braucht der Patient zuerst Unterstützung bei der Atmung und später beim Trainieren von koordinierten Bewegungen. Im höheren Alter können auch Gleichgewichtsstörungen auftreten, und manche Patienten müssen erst wieder lernen, das Gleichgewicht zu halten. Sie absolvieren zu diesem Zweck ein bestimmtes Übungsprogramm.
Intensivpflege und Herzchirurgie
Im allgemeinen verfügen Krankenhäuser über eigene Krankengymnasten. Diese sind wichtige Mitglieder des Behandlungsteams, das sich um Unfallopfer mit schweren Kopfverletzungen kümmert oder um Patienten, die eine Brust-, Unterleib- oder auch Herzoperation hinter sich haben. Auf der Station für Herzkranke beginnt die Arbeit der Krankengymnasten zwei oder drei Tage vor der Operation. Sie lernen den Patienten kennen und unterweisen ihn in bestimmten Bewegungen und Übungen, die ihm nach der Operation von Nutzen sind. Wenn sich der Patient schließlich soweit erholt hat, dass er auch aufstehen kann, muss er ein sorgfältig abgestuftes Übungsprogramm absolvieren, um zu Kräften zu kommen und zu lernen, sich wieder normal zu bewegen. Krankengymnasten arbeiten in Krankenhäusern, Arztpraxen oder in eigener Praxis. Darüber hinaus sind sie in Sportclubs, Einrichtungen für geistig und körperlich Behinderte sowie Altersheimen tätig. Angesichts des hohen Anteils von alten Menschen an der Bevölkerung und der Hektik des modernen Lebens, die zu Unfällen und Krankheiten führt, wird die Krankengymnastik in Zukunft an Bedeutung gewinnen.