In der Krankengymnastik geht es um mehr als die optimale Beweglichkeit von Gelenken und Muskeln. Der gesamte Organismus wird durch eine richtige Haltung beeinflusst.
Unter Krankengymnastik stellen sich viele Menschen die üblichen Leibesübungen vor, die den kranken Menschen nur nicht so stark fordern wie den gesunden. Der Anschein trügt. Etliche Übungen mögen zwar an eine ganz normale Gymnastik erinnern, viele Übungen sind jedoch speziell für bestimmte Probleme entwickelt. Immer aber bauen sie sehr planmäßig aufeinander auf und sind sorgfältig auf den Patienten und seine jeweilige Leistungsfähigkeit abgestimmt. In der Regel gehen die Übungen bis an die Leistungsgrenze und werden von den Betroffenen als außerordentlich anstrengend erlebt. Neben den Übungen zum aktiven oder auch unterstützten Bewegen und Halten des Körpers umfassen die Behandlungen auch Techniken passiver Art, wie Dehnlagerung, Schüttelung, Beugung oder Massage. Außerdem ist ein wichtiges Aufgabengebiet der Krankengymnastik die Atemtherapie.
Behandelt werden durch Krankengymnastik Symptome aller Art: Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit, Verspannungszustände, Kraftlosigkeit und Kurzatmigkeit. Der enormen Bandbreite der zugrunde liegenden Erkrankungen entsprechend arbeiten Krankengymnasten in verschiedenen Fachrichtungen, zum Beispiel:
- in der Orthopädie zur Vorbeugung und Beseitigung von Schäden des Haltungs- und Bewegungsapparates,
- in der Inneren Medizin zum Training von Kreislauf- und Lungenfunktion,
- in der Gynäkologie zur Vor- und Nachsorge von Schwangeren im Rahmen von Schwangerschaftsgymnastik,
- in der Kinderheilkunde zur Verhinderung und Behebung von Entwicklungsverzögerungen sowie
- in der Nervenheilkunde zur Behandlung von Lähmungen. Grundsätzlich ist das Ziel, die normalen Funktionen einzuüben.
Massage hat neben der örtlichen Wirkung auf Haut, Bindegewebe und Muskulatur eine allgemeine Wirkung auf Organismus und Psyche. Die einzelnen Massagegriffe bestehen in: Ausstreichungen, erwärmenden Griffen und Lockerungen, Knetungen, Klopfungen und Zirkelungen.
Zufuhr von Sauerstoff
Die Atemtherapie verbessert die Atemfunktion und bringt dem Körper eine günstige Zufuhr und Ausnutzung von Sauerstoff. Als erwünschte Wirkungen kommen psychische Entspannung und Harmonisierung des vegetativen Nervensystems hinzu.
Krankengymnastische Therapie ist also vielfältig. Der Behandlungserfolg hängt entscheidend von der Mitarbeit des Patienten ab, seiner Neugier, seinem Durchhaltevermögen, seiner Übungsbereitschaft. Andererseits darf ein erhöhtes Ermüdungs- oder Schmerzgefühl des Patienten nicht als lästige Überreaktion abgetan werden. Es signalisiert dem Therapeuten die Belastungsgrenze des Patienten. Die Erfahrung und das Wissen des Krankengymnasten ermöglichen dann eine individuelle und situationsgerechte Anpassung der verschiedenen Methoden, Techniken und Übungen. Krankengymnastik bedarf grundsätzlich einer ärztlichen Verordnung und findet dann unter Anleitung und Aufsicht eines Krankengymnasten statt. Diese sind hoch qualifizierte Fachkräfte. Die Ausbildung besteht in einem zweijährigen Lehrgang an einer staatlich anerkannten Lehranstalt und einem praktischen Anerkennungsjahr.
Vielseitige Ausbildung
Die Anwärter studieren Anatomie (den Aufbau von Knochen, Muskeln, Blutgefäßen und Nerven), Physiologie (die Funktionsweisen des Körpers einschließlich Atmung, Verdauung und Kreislauf), Pathologie (Auswirkungen von Krankheiten auf den Körper), Psychologie und die diversen Heilverfahren. An diese Ausbildung und die praktische Arbeit können sich Lehrgänge und Seminare zur Vertiefung, Weiterbildung und Spezialisierung anschließen. Schmerzhafte Fehlhaltungen der Gelenke beispielsweise erfordern eine Behandlung, die die Muskulatur trainiert. Krankengymnasten sprechen in diesem Zusammenhang auch gern von den drei M. Die Abkürzung steht für: manuelles Verfahren (von lat. manus, Hand), Mobilisierung und Massage. Bei dem manuellen Verfahren werden Gelenke und Gewebe durch bestimmte Griffe geschmeidiger gemacht (Grundtechniken). Mit Fingern und Handflächen wird dabei Druck ausgeübt, beispielsweise wenn Gelenke unbeweglich oder instabil geworden sind. Kräftiger, scharf begrenzter Druck kann sogar Schmerzen lindern, die von einem entzündeten oder eingeklemmten Nerv herrühren.
Aktivierung von Muskeln
Die Mobilisationsbehandlung hat die aktive, normale Bewegung zum Ziel. Verspannte Muskeln werden gedehnt und die antagonistischen Muskeln (Gegenspielermuskeln, die für bestimmte Bewegungen oder Stellungen arbeiten müssen) aktiviert. Im Laufe vieler Übungsstunden werden so Gelenkstörungen beseitigt. Der Patient kann sich nicht nur wieder besser oder vielleicht sogar normal bewegen, sondern ist auch schmerzfrei geworden. Bei der Massage bestimmt der Krankengymnast zunächst mit Hilfe der einleitenden Griffe, in welchem Zustand sich Hautdurchblutung, Unterhautschicht und Muskulatur befinden. Mit Ausstreichungen wird das Venen- und Lymphgefäßsystem positiv beeinflusst und durch erwärmende Griffe werden die Haargefäße (Kapillaren) in der Haut erweitert.
Lockerungen lösen Muskelverspannungen, mit Knetungen werden tiefe Muskelschichten behandelt, und Klopfungen bewirken ein schnelles Zusammenziehen der Muskeln. Zirkelungen führt der Krankengymnast aus, wenn er zwar nur einen kleinen Körperbereich, diesen aber möglichst tief und intensiv behandeln will.
Ergänzende Behandlungen
Ergänzt wird Krankengymnastik auch sehr häufig durch den Einsatz von Wärme oder Elektrizität, daher die Therapie mit nieder-, hoch- oder mittelfrequentem Strom. Dieser wirkt vor allem auf Muskeln, Haut und andere Gewebe heilsam. Elektrotherapie gibt es in verschiedenen Formen: Bei der Kurzwellendiathermie wird mit hochfrequentem Strom gearbeitet, der tief in die Gewebe eindringt und dabei in Wärme umgewandelt wird. Am stärksten erwärmt sich das Unterhautfettgewebe, weniger stark die Muskeln und Knochen. Eine Kombination aus hoch- und niederfrequentem Strom, der tief in die Gewebe vordringt, wird mit dem Interferenzstrom- Verfahren zur Verbesserung der Durchblutung und zur Schmerzlinderung eingesetzt.
Niederfrequenter Strom regt die Muskelkontraktion in den Extremitäten an, die durch eine Krankheit oder Verletzung geschwächt sind. Schmerzlinderung wird auch durch die transkutane Nervenstimulation erzielt. Man schickt einen schwachen elektrischen Strom durch die Gewebe und regt dadurch die Nerven unter der Hautoberfläche an. Darüber hinaus gibt es die Behandlung mit dem Hochleiterstrahler. Er wird zur besseren Heilung von Knochenbrüchen eingesetzt und schickt Impulse magnetischer Energie durch die Gewebe. Ein weiteres Verfahren besteht in der Ultraschallbehandlung, bei der der Körper hochfrequenten Schallwellen ausgesetzt wird. Diese lindern Entzündungen, verbessern den Kreislauf und bringen die flüssigen Bestandteile der Gewebe in Bewegung. Zur Schmerzlinderung und Verbesserung der Durchblutung wird gelegentlich auch die Bestrahlung mit Infrarotlicht verordnet. Die Liste möglicher begleitender und ergänzender Behandlungsmethoden lässt sich weiter verlängern.
Bei der Kältetherapie wird mit zerstoßenem Eis in Wasser oder mit Eis-Packs gearbeitet, um Schmerzen zu lindern und Schwellungen zu beseitigen. Wie die Wärmebehandlung kann auch die Kältebehandlung den Kreislauf anregen. Außerdem lindert sie den akuten Bewegungsschmerz, der auftritt, wenn Hand-, Fuß- und Knieverletzungen therapiert werden. Die krankengymnastischen Übungen müssen sich allerdings unmittelbar an die Kälte- oder an die Wärmeanwendungen anschließen.
Unter Hydrotherapie versteht man die Anwendung von Wasser am Kranken. Dazu gehören Wickel und Packungen genauso wie Bäder und Güsse. Behandlungen in warmem Wasser entspannen die Muskulatur, außerdem ist der Körper dabei von seinem Eigengewicht entlastet. So fallen Bewegungen entschieden leichter. Für die Unterwasserbehandlung (Bewegungs- und Massagetherapie) gibt es Becken mit Spezialarmaturen, etwa für eine Unterwasser-Druckstrahlmassage. Im Einzelfall können mehrere dieser Behandlungstechniken kombiniert werden. Die Wahl der Verfahren hängt davon ab, wie Arzt und Krankengymnast den Zustand des Patienten einschätzen und bei welchen Verfahren der Erfahrung nach die besten Ergebnisse zu erwarten sind. Geschwächte, geschädigte Muskeln und Gewebe werden allerdings nicht ausschließlich durch die beschriebenen Therapieformen gekräftigt. Bei Bewegungsübungen aller Art bedarf es der aktiven Mitarbeit des Patienten. Der Therapeut kann anleiten, unterstützen und ermuntern, aber der Patient muss regelmäßig zur Behandlung gehen und auch zu Hause die empfohlenen Übungen machen.