Bestimmte Störungen im Nervensystem können bewirken, dass der Betroffene nicht mehr die Fähigkeit besitzt, die Bewegungen seiner Gliedmaßen zu koordinieren.
An der Koordination von Körperbewegungen sind verschiedene Bereiche des Nervensystems beteiligt. Eine Ataxie – die Unfähigkeit, Muskelbewegungen kontrolliert auszuführen – kann deshalb in unterschiedlicher Weise auftreten. Für die Koordination zuständig sind insbesondere die im Rückenmark verlaufenden Bündel aus Nervenfasern, die Signale über die Lage und den Spannungszustand von Muskeln in Armen und Beinen weitergeben, außerdem das Gleichgewichtsorgan im Innenohr mit seinen Kontrollzentren im Hirnstamm sowie das Kleinhirn. Es reguliert die Exaktheit gezielter Bewegungen und ist für unwillkürliche Bewegungen zuständig, die Körperstellung eingeschlossen.
Ursachen
Störungen des Koordinationssystems haben verschiedene Ursachen. So kann ein Mangel an Vitamin B12 die Nerven im Rückenmark beeinträchtigen, über die Informationen zur Stellung der Gliedmaßen im Raum weitergeleitet werden. Beeinträchtigt werden auch die Nervenfasern, über die das Gehirn seine Anweisungen an die Muskeln schickt. In der Folge sind die Gliedmaßen nicht nur ungenügend koordiniert, sondern oft auch zu schwach. Man spricht dann von einer subakuten Degeneration.
Gliederschwäche, Unbeholfenheit und Schwerfälligkeit der Bewegungen sind unter anderem auch Symptome einer Erkrankung des Zentralnervensystems, die als Multiple Sklerose bekannt ist. Diese Erkrankung führt zum Verlust der Markscheiden, welche die Nervenfasern umhüllen. Multiple Sklerose verläuft schubweise. Zerfallsherde treten im Gehirn und Rückenmark auf.
Schwerwiegende Entzündungen durch Viren oder infolge von Malaria oder Fleckfieber können Teile des Innenohres beeinträchtigen, die das Gleichgewicht kontrollieren. Ataxie tritt dann auf, weil die Koordinationszentren bezüglich der Lage des Kopfes die falschen Signale erhalten. Sind lediglich die Rezeptoren des Gleichgewichtsorganes geschädigt, ist die Störung nur von kurzer Dauer. Die Hirnzentren können nämlich die falschen Signale rasch ausgleichen. Liegt dagegen eine Schädigung der Zentren im Hirnstamm vor, die für die Deutung der Gleichgewichtssignale zuständig sind, hält die Beeinträchtigung länger an.
Diese Hirnstammzentren können ebenso durch eine Blockierung ihrer Blutgefäße, durch Druck von Geschwülsten an der Hirnbasis oder durch eine Entzündung des Hirnstamms in ihrer Funktion gestört werden. Das Kleinhirn selbst kann auf sehr vielfältige Weise Schaden erleiden, zum Beispiel durch eine bösartige Geschwulst oder auch chronischen Alkoholmissbrauch in Verbindung mit Mangelernährung. Ein Alkoholrausch löst bekanntlich kurzfristige Koordinationsstörungen aus. Der Gleichgewichtssinn ist gestört, und der Betrunkene torkelt und schwankt. Bei extrem hohen Alkoholmengen ist auch das Rückenmark betroffen. Die Reflexe werden langsamer, bis sie schließlich ganz aufhören. Ein solcher Zustand bedeutet dann aber bereits eine Alkoholvergiftung.
In seltenen Fällen kommt in Familien eine angeborene Nervenstörung vor, die sich in einem langsam fortschreitenden Zerfall der Nervenfasern äußert. Diese Form der Ataxie geht zuweilen mit von Geburt an vorhandenen Skelettmissbildungen einher, wie Hohlfuß und Buckelbildung.
Krankheitssymptome
Geht der Schaden am Nervensystem auf eine chronische Entzündung oder einen Vitaminmangel zurück, kann die Unsicherheit in der Gliedmaßenbewegung ganz allmählich auftreten. In anderen Fällen, etwa bei einer Schädigung bestimmter Blutgefäße, macht sich eine Beeinträchtigung plötzlich bemerkbar. Sind die von den Gliedmaßen kommenden Nerven im Rückenmark betroffen, entsteht eine „sensorische Ataxie“. Der Kranke geht mit einem schweren Stampfen, da er – immer einen festen Halt suchend – die Füße energisch aufsetzt. Er ist sehr stark darauf angewiesen, dass er seine Füße sieht. Wenn er die Augen schließt, läuft er sofort Gefahr, zu stolpern und zu stürzen.
Bei der „Kleinhirnataxie“ sieht der Gang anders aus: Der Betroffene geht mit weit gespreizten Beinen und stolpert viel. Eine weitere Form der Ataxie ist der „Intentionstremor“ (Tremor = Zittern), bei dem die Koordination fortschreitend zusammenbricht: wenn sich die Hand auf ein Objekt zubewegt, fängt sie an zu zittern, und kontrollierte Bewegungen werden sehr schwierig.
Behandlung
Die Behandlung der Ataxie richtet sich nach dem vorliegenden Grundleiden. Manche Formen sind mit Antibiotika zu behandeln (z. B. bei Malaria), bei anderen kann eine Operation erforderlich werden. Wenn die Ataxie durch Mangelerscheinungen ausgelöst wurde, sind mit entsprechenden Vitamingaben Besserungen zu erzielen. Wie gut die Aussichten sind, hängt in vielen Fällen davon ab, wie früh mit der Behandlung begonnen worden ist.