Zeitlich oder inhaltlich begrenzte Störungen der Gedächtnisleistung werden als Erinnerungs- oder auch Gedächtnislücke bezeichnet. Mediziner sprechen bei diesen Erscheinungen von Amnesie.
Gedächtnislücken können viele Ursachen haben, die von einem Autounfall oder einer mit hohem Fieber einhergehenden Krankheit bis hin zu einer durchzechten Nacht („Filmriß“) reichen. Dem Betroffenen fehlt die Erinnerung an einen bestimmten Zeitabschnitt. Gewisse Informationen sind nicht im Gehirn gespeichert worden.
Die Art und Weise, in der Informationen im Gehirn gespeichert werden, ist kompliziert und längst noch nicht erschöpfend erforscht. Aber es gibt offensichtlich eine frühe Phase in diesem ganzen Prozess, in der Eindrücke oder Erlebnisse so bearbeitet werden, dass das Gehirn sie in einer abrufbaren Form speichert. Es kann Stunden oder sogar Tage dauern, ehe die Information aufbereitet ist. Hat sie jedoch den Weg in den Gedächtnisspeicher gefunden, ist sie Erinnerung und als solche kaum noch zu beeinträchtigen. Allerdings kann sie verblassen.
Erleidet jemand durch einen Unfall eine Amnesie, war der Bearbeitungsmechanismus unterbrochen, so dass eine Zeit lang keine Informationen beziehungsweise Erinnerungen gespeichert wurden. Hauptsächlich treten Gedächtnislücken als Folge von Gehirnerschütterungen und Schädel-Hirn-Traumen (Kopfverletzungen mit Gehirnbeteiligung) auf.
Verlust der Erinnerung
Während der Amnesie wirkt der Betroffene oft verwirrt und desorientiert, wenn nicht gar in erheblichem Maße psychisch gestört. Die von der Amnesie betroffenen Informationen sind und bleiben verloren – insbesondere wenn die Ursache der Erinnerungslücke ein Verlust an Gehirnsubstanz ist. Nur in leichten Fällen können unter Umständen einzelne Informationen wieder zurückkommen.
Kopfverletzungen
Besonders häufig kommt es bei Gehirnerschütterungen und Schädel-Hirn-Traumen zu Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, und zwar kann die Erinnerung an die Zeit sowohl vor und während des Unfall-Geschehens als auch danach gestört sein. Die Ursache hierfür liegt in der massiven Beschleunigung der Druckwellen, die bestimmte Gehirnregionen in ihrer Funktion hemmen oder unterbrechen. In der Folge werden frische Gedächtnisinhalte nicht mehr gespeichert.
Während bei einer Schädel-Prellung die Gehirnsubstanz – durch die Wucht eines Aufpralls etwa – geschädigt wird und diese Verletzung häufig lebenslange Ausfälle nach sich zieht, bewirkt eine Gehirnerschütterung meist nur eine vorübergehende Funktionsstörung. Die Gehirnsubstanz ist nicht geschädigt. Kommt es zu Bewusstlosigkeit, ist sofort ärztliche Hilfe erforderlich. Die Einlieferung in neurochirurgische Zentren bei schweren oder sich als bedenklich erweisenden Schädel-Hirn-Traumen ist heute durch ein optimal ausgerüstetes Rettungs- und Transportsystem selbstverständlich geworden. Aber auch bei kurzfristigen Bewusstseinsstörungen und kurzzeitiger Gedächtnislücke sollte ein Arzt konsultiert werden.
Um sicher zugehen, dass kein Schädelbruch vorliegt, wird der Schädel geröntgt. Schon bei leichten Gehirnerschütterungen verordnet der Arzt einige Tage Bettruhe. In der Regel verschwinden nach ein paar Wochen die begleitenden Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel und Konzentrationsstörungen.
Alkohol und Drogen
Alkohol und Drogen haben eine nachhaltige Wirkung auf das Kurzzeitgedächtnis und intellektuelle Leistungen. Einjahrelanger Alkoholmissbrauch kann dazu führen, dass das Kurzzeitgedächtnis neue Informationen nicht einmal mehr ein paar Sekunden lang speichern kann. Dieser Defekt im Kurzzeitgedächtnis steigert sich unter Umständen zu einer jahrelangen Gedächtnislücke. Darüber hinaus sind die Patienten sehr oft desorientiert, schildern, was ihnen gerade in den Kopf kommt, und berichten von Erlebnissen, die auf Sinnestäuschungen beruhen (Konfabulationen).
Hysterische Amnesie
Ein plötzlicher psychischer Schock oder eine Phase unerträglicher Belastung führt in seltenen Fällen ebenfalls zu einer Amnesie. Diese Störung beruht auf Hemmmechanismus, die die Abrufung ursprünglich korrekt gespeicherter Gedächtnisinhalte blockieren. In den schwersten Fällen kann es so weit kommen, dass der Patient total verwirrt ist und nicht mehr weiß, wie er heißt, wo er sich befindet oder was den Gedächtnisverlust ausgelöst hat.
Manchmal reisen solche Menschen, ohne zu wissen, wohin sie wollen und woher sie kommen. In milderen Fällen beschränkt sich der Gedächtnisverlust auf einzelne Bruchstücke der Informationen. Manche Wissenschaftler sehen in dieser Art des Gedächtnisverlustes das Bemühen der Psyche, eine unangenehme Erinnerung auszulöschen.
Behandlung
Mit viel Ruhe – und eventuell medikamentöser Unterstützung – wird sich der Patient wahrscheinlich erholen. Solange jedoch die Amnesie anhält, kann die Behandlung recht schwierig sein. Möglicherweise wird eine behutsame psychiatrische Behandlung erforderlich.