Experimentelle Genetik

Umstrittene Genforschung

Die Frage, ob diese Embryonen bis zu einem Alter von 14 Tagen für genetische Forschungen und die Vervollkommnung gentechnologischer Verfahren herangezogen werden dürfen, ist noch sehr umstritten. Einerseits deuten sich auf diesem Gebiet konkrete Möglichkeiten an, mit denen Erbkrankheiten in Zukunft verhindert werden könnten. Auf der anderen Seite steht der „Verbrauch“ unzähliger winziger Lebewesen. Während sonst ein Mensch, der an einem medizinischen Versuch teilnimmt, jederzeit ohne Angabe der Gründe den Versuch abbrechen kann, können die Embryonen nicht gefragt werden. Hier erheben sich massive ethische und rechtliche Einwände, auf die bisher noch keine gültige Antwort gegeben werden konnte. Die Gentherapie beim Menschen wird in Zukunft möglicherweise zu einem wichtigen Zweig der Medizin werden. Versuche weisen darauf hin, dass vererbte genetische Störungen wie beispielsweise die polyzytische Nierendegeneration, das durch eine Enzymstörung bedingte Lesch-Nyhan-Syndrom und die Duchennesche Muskelatrophie bei einer Weiterentwicklung der Gentherapie irgendwann der Vergangenheit angehören könnten.

Man könnte zum Beispiel gesunde Kopien des defekten Gens direkt in die Knochenmarkszellen eines Patienten spritzen, der an einer genetischen Krankheit leidet, in der Hoffnung, dass die gesunden Gene in der Lage sein werden, das fehlerhafte Verhalten der vorhandenen beschädigten Gene auszuschalten und die Harmonie im Körper durch Bildung der fehlenden Enzyme wiederherzustellen. Diese Therapie würde jedoch die bestehende DNS des Patienten nicht verändern, so dass das defekte Gen trotzdem weitervererbt werden könnte.

Antigene

Gentechnische Verfahren werden auch zur Entwicklung wirksamer Malariaimpfstoffe angewandt; so gibt es heute Stämme von Malariaerregern, die gegen bestehende Impfstoffe resistent geworden sind. Die Parasiten, die Malaria verursachen, werden von der Stechmückengattung Anopheles auf den Menschen übertragen. Bislang waren Wissenschaftler nicht in der Lage, diese Parasiten in ausreichender Zahl unter Laborbedingungen zu züchten. Das bedeutete, dass sie auch nicht die Antigene herstellen konnten, mit denen sich der Malariaerreger abtöten lässt. Ein Antigen ist eine Substanz, die das Immunsystem als Eindringling „erkennt“, worauf es mit der Bildung von Antikörpern und Lymphozyten reagiert. Heute ist es dagegen möglich, Antigene von der Oberfläche der Parasiten zu klonieren und in Bakterien zu verpflanzen. Man kann deshalb jetzt zu Versuchszwecken Antigene gegen den Malariaerreger in großen Mengen produzieren; letztlich wird dies zur Herstellung eines Impfstoffs führen, der gegen alle Formen der Malaria schützt und somit Tausende von Menschenleben rettet. Auch Lepra ist eine Krankheit, gegen die durch genetische Forschung ein wirksamer Impfstoff gefunden werden könnte. Etwa 15 Millionen Menschen leiden weltweit an dieser chronischen Infektionskrankheit, die früher auch in Europa verbreitet war.

Häufig kommt sie vorallem in tropischen und subtropischen Ländern vor, wo sie unsägliches Leid und Elend mit sich bringt. Wie bei vielen Krankheiten entwickeln sich bei Lepra resistente Stämme von Krankheitserregern, die nicht mehr auf die üblichen Medikamente reagieren; zur Zeit laufen Forschungsprojekte mit dem Ziel, die Antigene zu isolieren, sie gentechnologisch zu reproduzieren und schließlich einen Impfstoff zu entwickeln, der gegen Lepra immun machen würde.

Künstliche Hormone

Das Wachstumshormon HGH regelt die Ausbildung unseres Körperbaus; Mangel an diesem Hormon führt zu Zwergwuchs. Umgekehrt löst eine übermäßige Produktion dieses Hormons Gigantismus (Riesenwuchs) aus. Beide Arten von Wachstumsstörungen können große psychische Probleme mit sich bringen; früher wurden die Opfer dieser Hormonstörungen häufig auf Rummelplätzen als Sehenswürdigkeiten vorgeführt. Heute kann man bei Kindern, die eindeutig hinter dem normalen Wachstum zurückgeblieben sind, mit HGH das Wachstum anregen, so dass sie eine normale Körpergröße erreichen. Bis vor kurzem konnte man HGH nur aus Leichen gewinnen; man entfernte die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und gewann daraus eine kleine Menge des Hormons. Dieses Verfahren ist inzwischen verboten, weil dabei die Gefahr einer Infektion durch verunreinigte Hormone nicht auszuschließen war. Heute wird mit gentechnischen Verfahren ein Wachstumshormon produziert, das dieses Risiko ausschließt.

Insulin

Das Hormon Insulin wird beim gesunden Menschen von der Bauchspeicheldrüse gebildet und reguliert den Stoffwechsel der Kohlenhydrate. Dadurch kann der Körper Glukose verwerten und speichern und einen normalen Blutzuckerspiegel aufrechterhalten. Menschen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, können jedoch nicht mehr genug Insulin produzieren, so dass ihr Blutzuckerspiegel ansteigt. Zu den Symptomen der Krankheit gehören zunehmender Durst, Gewichtsverlust, häufiger Harndrang und Ohnmachtsanfälle. Bis vor kurzem wurde Insulin aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen; es zeigte sich aber, dass manche Diabetiker gegen diesen Ersatzstoff allergisch waren. Daneben wurde auch menschliches Insulin aus Blutplasma gewonnen, doch aufgrund der Gefahr einer Infektion durch in Blutkonserven enthaltene AIDS-Viren ist dieses Verfahren sehr viel komplizierter und teurer geworden. Hier springt nun die Gentechnologie ein: Es ist heute möglich, menschliches Insulin im Labor herzustellen. Mit dieser Substanz haben allergische Diabetiker bei ihrer Behandlung keine Schwierigkeiten mehr.

Gonorrhö-Forschung

Die Gonorrhö (Tripper) ist die häufigste Geschlechtskrankheit. Es handelt sich um eine bakterielle Infektion durch Gonokokken. Die Krankheit ist seit der Antike bekannt und wurde schon in der Bibel beschrieben. Früher nahm man an, man könne die Gonorrhö mit Antibiotika ausrotten, aber inzwischen entwickeln sich resistente Stämme, die auf keine medikamentöse Behandlung mehr ansprechen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Stanford University in den USA arbeitet jedoch daran, das Eiweiß- Antigen auf der Oberfläche der Gonorrhö-Bakterie zu isolieren – ein erster Schritt auf dem Weg zur Herstellung eines wirklich wirksamen Impfstoffes gegen diese Geschlechtskrankheit.