Blässe und leichtes Ermüden werden oft als Anzeichen von Blutarmut gedeutet, aber es muss sich keineswegs immer um Anämie handeln. Liegt eine Erkrankung dieser Art vor, ist die Behandlung meist einfach und außerordentlich wirksam. Als Blutarmut oder Anämie wird eine Störung in der Zusammensetzung des Blutes bezeichnet, genauer gesagt ein Mangel an rotem Blutfarbstoff und roten Blutkörperchen. Letztere werden im Knochenmark gebildet und enthalten den für die Versorgung des Körpers wichtigen Blutfarbstoff, das Hämoglobin.
Es bindet den Sauerstoff und transportiert ihn von der Lunge in die Körpergewebe, wo er als Energiespender benötigt wird. Das Knochenmark produziert etwa zwei Millionen rote Blutkörperchen pro Sekunde, und diese bleiben jeweils etwa 120 Tage im Blutstrom aktiv. Sinkt die Zahl dieser Blutzellen im Kreislauf aus irgendeinem Grunde unter „Normal“, führt das dazu, dass die Gewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und vom Kohlendioxid entsorgt werden.
Die klassischen Symptome einer Anämie treten auf: Blässe, Müdigkeit, Schwäche, Schwindelgefühl und Kopfschmerzen.
Aber Vorsicht bei Eigendiagnosen: Diese Erscheinungen können auch Anzeichen einer anderen Gesundheitsstörung sein. Ursachen Anämien sind im wesentlichen auf drei Ursachen zurückzuführen. Erstens kann es sein, dass dem Knochenmark nicht genügend Eisen oder Vitamine zur Verfügung stehen. In der Folge produziert es die roten Blutkörperchen nicht in solcher Menge, dass ihre Gesamtzahl im Körper immer gleich bleibt. Man spricht in diesen Fällen von Mangelanämien.
Zweitens kann das Knochenmark selbst erkranken und deshalb rote Blutkörperchen nicht in der erforderlichen Menge produzieren. Diese Formen von Blutarmut werden als aplastische Anämien bezeichnet.
Und drittens kann die Lebensdauer der roten Blutkörperchen aus verschiedenen Gründen verkürzt sein. Der vorzeitige Verfall dieser Blutzellen ruft hämolytische Anämien hervor.
Eisen- und Vitaminmangel
Jedes rote Blutkörperchen enthält Hämoglobin, eine Substanz mit einem hoch komplizierten Molekül, das unter anderem Eisenatome enthält. Um Hämoglobin bilden zu können, muss das Knochenmark ausreichend mit Eisen versorgt sein. Außerdem sind bestimmte B-Vitamine unentbehrlich, vor allem Folsäure und Vitamin B12.
Es gibt im Körper verschiedene Eisenreservoire – vor allem in der Leber -, auf die der Körper im Bedarfsfall zurückgreifen kann. Sind diese Vorräte jedoch erschöpft, werden nur noch rote Blutkörperchen mit einem zu geringen Hämoglobingehalt gebildet, und der Patient wird anämisch. Eisen ist in verschiedenen Nahrungsmitteln enthalten, so in Fleisch, vor allem in Leber, Fisch und Meeresfrüchten sowie in Gemüsesorten wie Bohnen, Erbsen, rote Bete und Kohl.
Den höchsten Eisengehalt hat Fleisch. Wenn Vegetarier also zum Ausgleich nicht die richtigen Gemüsesorten essen, stellt sich leicht Eisenmangel und in der Folge eine Eisenmangelanämie ein. Das gleiche gilt für Kinder, die bestimmte Lebensmittel nicht essen wollen, und ältere Leute, die nicht mehr auf eine ausgewogene Ernährung achten.
Erschöpfte Eisenvorräte
Die zweite Hauptursache einer Eisenmangelanämie ist das völlige Fehlen von Eisenvorräten im Körper. Zu einem solchen Mangel kann es kommen, wenn der Körper viel Blut verloren hat und die Eisenvorräte den erhöhten Bedarf des Knochenmarks nicht mehr decken. Da Eisen nur relativ langsam mit der Nahrung aufgenommen wird, ist es auch möglich, dass sich die Vorräte im Laufe der Zeit erschöpfen.
Am häufigsten tritt Eisenmangel jedoch infolge fortgesetzten Blutverlustes über einen längeren Zeitraum hinweg auf. Eisenmangel kann sich bei Personen entwickeln, die unter Hämorrhoiden leiden und deshalb Blut verlieren.
Gefährlicher sind jedoch unbemerkte innere Blutungen, die zu einer laufenden Abgabe von Blut in den Darm führen. Ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür führt unter Umständen zu einem ähnlichen Blutverlust; gut- oder bösartige Geschwüre im Darm können ebenfalls lange Zeit unbemerkt bluten.
Eine seltenere Ursache von Eisenmangel ist die Einnahme von Schmerzmitteln mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure über einen längeren Zeitraum hinweg. Dies kann kleine Blutungen in der Magenwand auslösen und auf Dauer eine Anämie nach sich ziehen.
Der Mangel an Folsäure und Vitamin B12 führt eventuell zu einer Anämie, da das Knochenmark ohne diese beiden Vitamine die Hämoglobinmoleküle nicht richtig bilden kann. Folsäure ist in grünem Blattgemüse, in Nüssen und Früchten sowie in Fleisch enthalten. Personen, die nur selten Gemüse essen, können aufgrund zu geringer Zufuhr von Folsäure anämisch werden. Ein VitaminB 12 -Mangel dagegen ist äußerst selten, weil dieses Vitamin in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten ist und auch im Körper gespeichert wird.
Dem Knochenmark kann jedoch Vitamin B12 durch eine Krankheit fehlen, die als „perniziöse Anämie“ bezeichnet wird. Vitamin B12 kann nur dann aus der Nahrung aufgenommen werden, wenn die Magenschleimhaut einen bestimmten chemischen Stoff, den „Intrinsic-factor“, bildet. Aus noch nicht restlos geklärten Gründen erlöscht bei manchen Menschen (ab 45 Jahren) die Produktion dieser Substanz, so dass kein Vitamin B12 aufgenommen wird und in der Folge Anämie auftritt.
Knochenmarkerkrankungen
Wer chronisch erkrankt ist – vor allem an Leber oder Nieren – , kann anämisch werden, weil das Knochenmark in der Folge nicht mehr richtig „arbeitet“. Das Knochenmark reagiert außerdem auf die toxische, also die giftige Wirkung bestimmter Medikamente und auf die Auswirkungen von radioaktiver Strahlung.
Stellt das Knochenmark die Produktion von roten und weißen Blutkörperchen ein, kommt es zu einer der schwersten Formen von Blutarmut, der aplastischen Anämie. Der Patient wird wegen des Mangels an weißen Blutkörperchen zudem anfällig für gefährliche Infektionen.
Das Knochenmark kann auch durch bestimmte Formen von Krebs sowie durch Leukämie, bei der es sich um eine das Knochenmark selbst betreffende Form des Krebses handelt, in Mitleidenschaft gezogen werden. Einige wenige Menschen leiden an Erbkrankheiten, die dazu führen, dass das Knochenmark Hämoglobinmoleküle mit abnormer Gestalt produziert. Dieses Hämoglobin ist nur beschränkt leistungsfähig; manchmal ist auch die Lebensdauer der roten Blutkörperchen verkürzt. Zu dieser Art Blutarmut zählen die Sichelzellenanämie und die Thalassanämie (Mittelmeeranämie). Erstere betrifft fast ausschließlich Farbige, letztere die Bevölkerung des Mittelmeerraumes, aber auch Vorderasiens.
Manchmal ist die normale Lebensdauer der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) herabgesetzt. Bei diesem Befund spricht man von hämolytischer Anämie. Diese Krankheit ist selten, kann aber im Gefolge bestimmter Infektionen, einschließlich der Malaria, auftreten sowie durch Medikamente und Umweltgifte hervorgerufen werden. Auch bei Milzvergrößerung tritt hämolytische Anämie auf: Die Milz schädigt die Blutzellen, während sie dieses Organ passieren, und hält zu viele Zellen in ihrem Gewebe fest.