Blindheit

Trotz enormer Fortschritte auf dem Gebiet der Augenheilkunde können auch heutzutage nicht alle Sehstörungen geheilt werden. Es gibt jedoch zahlreiche Hilfsmittel, die es schwachsichtigen und blinden Menschen ermöglichen, sich relativ selbstständig zurechtzufinden.

Das Bild des blinden alten Mannes, der mit seinem weißen Stock, der gelben Binde mit drei schwarzen Punkten, vielleicht noch von einem Schäferhund geführt, die Straße überquert, ist keine Seltenheit. Als Blindheit bezeichnet man das völlige Fehlen oder eine starke Verminderung des Sehvermögens.

In Österreich ist der Begriff noch viel enger eingegrenzt: „Blind sind, Beschädigte, die das Augenlicht vollständig verloren haben. Als blind sind auch die Beschädigten anzusehen, deren Sehschärfe so gering ist, dass sie sich in einer ihnen nicht vertrauten Umgebung ohne fremde Hilfe nicht zurechtfinden können. Dies wird im allgemeinen der Fall sein, wenn bei freiem Blickfeld auf dem besseren Auge nur eine Sehschärfe von etwa 1/50 besteht.“

Es gibt unzählige Ursachen für Sehstörungen und völlige Blindheit. Das Auge ist ein sehr komplexes Sinnesorgan; was man von der Außenwelt sieht, muss zuerst auf die Netzhaut projiziert und dann in Nervenimpulse umgewandelt werden. Ein Verlust der Sehkraft kann durch eine Unterbrechung dieser Nervenimpulse, durch eine Verletzung oder durch eine Krankheit verursacht werden, die das Auge oder die am Sehvorgang beteiligten Nerven in Mitleidenschaft zieht.

Grauer Star

Der graue Star (Katarakt) ist weltweit eine der Hauptursachen von Blindheit. Die klare, lichtdurchlässige Linse des Auges trübt sich bei dieser Krankheit mit der Zeit, so dass immer weniger Licht hindurchgelangt und das Sehvermögen schwindet. Ab einem bestimmten Grad der Trübung der Linse muss eine Operation vorgenommen werden, wenn das Sehvermögen erhalten bleiben soll. Dabei wird die Linse vereist und aus dem Auge herausgelöst.

In manchen Fällen kann sie durch eine künstliche Linse ersetzt werden, anderenfalls werden Kontaktlinsen oder sehr starke Brillengläser verschrieben.

Blindheit bei Kindern

Wenn Kinder blind zur Welt kommen, ist das Leiden in der Regel auf eine angeborene Katarakt zurückzuführen. Sie ist meist Folge einer mütterlichen Virusinfektion in der Frühschwangerschaft, zum Beispiel Röteln. Für kleine Kinder, die beim Spielen im Freien mit Hundekot in Berührung kommen, besteht die Gefahr, dass sie sich mit dem Hundespulwurm (Toxocara canis) infizieren. Man weiß heute, dass dieser Parasit das Auge in Mitleidenschaft zieht und eine chronische Netzhautentzündung hervorruft. Ansonsten sind Infektionen in der westlichen Welt nur in Ausnahmefällen die Ursache für Blindheit.

Alterserscheinungen

Etwa nach dem siebzigsten Lebensjahr kann ein Verfall der Netzhaut eintreten, für den es kein Heilmittel gibt. Die Zellen der Netzhaut altern und sterben ab, vor allem im Bereich des gelben Flecks, also dort, wo die Linse das schärfste Bild erzeugt. Dagegen gibt es zwar keine Medikamente, aber man kann dieser Erscheinung durch stark vergrößernde Brillengläser entgegenwirken.

Netzhautablösung

Bei einer weiteren häufigen Erkrankung des Auges löst sich die mehrere Zellschichten dicke Netzhaut von der Rückseite des Augapfels. Wenn es darüber hinaus noch zu einem Riss in der Netzhaut kommt, kann Flüssigkeit aus dem Augeninnern hinter die abgelöste Schicht dringen. Dadurch wird die Behandlung erschwert. Bereits das erste Symptom der Krankheit ist Blindheit auf dem betroffenen Auge. Die Erblindung bereitet dem Patienten keine Schmerzen. Der Erkrankte hat das Gefühl, dass sich ein Vorhang vor dem Auge senkt.

Heute kann die Netzhaut mit modernen technischen Verfahren wieder befestigt werden, entweder operativ oder mit Hilfe eines Laserstrahls. Netzhautablösung kann auch bei jüngeren Menschen als Folge eines harten Schlags auf das Auge auftreten.

Ältere Menschen sind für ein Augenleiden anfällig, das als grüner Star oder auch Glaukom bezeichnet wird; dabei steigt der Augeninnendruck. Die Spannung innerhalb des Augapfels verursacht starke Schmerzen; die feinen Nerven, die die Sehreize übertragen, werden zusammengedrückt und beschädigt. In akuten Fällen tritt der Druckanstieg plötzlich auf, und das Auge schmerzt extrem und rötet sich. Wird grüner Star nicht rechtzeitig behandelt, geht die Sehkraft des betroffenen Auges vollständig und unwiederbringlich verloren.

Bei chronischem Glaukom steigt der Augeninnendruck allmählich an. Das Gesichtsfeld verkleinert sich von den Rändern her, bis es nur noch „röhrenförmig“ ist. In der Mitte sieht man normal, aber alles, was außerhalb des Mittelfeldes liegt, wird nicht wahrgenommen. Eine Behandlung ist operativ und medikamentös möglich, aber Vorbeugen ist immer besser.

Wer über 60 Jahre alt ist, sollte alle zwei Jahre oder jeweils beim Verschreiben einer neuen Brille den Augeninnendruck prüfen lassen. Blindheit ist oft die Folge einer Erkrankung des Sehnervs oder des Sehzentrums im Gehirn. Eine Entzündung des Sehnervs kann durch eine Virusinfektion, durch Gifte wie Methylalkohol, Chinin, Blei und Arsen und sogar durch zu viel Nikotin ausgelöst werden. Geht die Entzündung auf die Nervenkrankheit Multiple Sklerose zurück, ist sie oftmals von einer Lähmung der Nerven begleitet, die für die Steuerung der Augapfelbewegung zuständig sind. Das wiederum führt zu Doppeltsehen.

Das Sehvermögen kann teilweise verloren gehen, wenn irgendwo auf dem Weg zum Sehzentrum Druck auf den Sehnerv ausgeübt wird. Ein Tumor, eine Blutung oder ein erweitertes Blutgefäß kann komplizierte Symptome hervorrufen, die der Untersuchung und Behandlung durch einen Spezialisten bedürfen.

Unterbrechung der Blutzufuhr

Plötzliche Blindheit, die auf eine Unterbrechung der Blutzufuhr zur Netzhaut zurückzuführen ist, befällt so gut wie immer nur ein Auge. Ein Pfropfen in der Arterie, die die Netzhaut versorgt, ruft sofortige Blindheit in dem betroffenen Auge hervor. Heilung ist nicht möglich. Aber durch die Behandlung der zugrunde liegenden Ursache kann verhütet werden, dass das gleiche auch mit dem anderen Auge passiert. Ein Blutpfropfen in der Vene, die von der Netzhaut wegführt, zieht ebenfalls eine Erblindung nach sich, doch kann sich hier das Sehvermögen im Laufe mehrerer Wochen allmählich wieder einstellen. Zur Vorbeugung gegen ein erneutes Auftreten der Erkrankung ist nach Entfernung des Blutpfropfens eine Behandlung mit Antikoagulanzien (gerinnungshemmende Substanzen) erforderlich.

Diabetes, Nierenversagen und extrem hoher Blutdruck führen unter Umständen zu einer Schädigung der Netzhaut; in diesen Fällen platzen die winzigen Blutgefäße der Netzhaut, und es kommt zur Blutung. Gelegentlich sind die Gefäßwände geschädigt und porös; dann tritt Eiweiß aus und gelangt auf die Netzhaut. Eine echte Ausheilung ist nicht möglich, doch lässt sich das Sehvermögen bisweilen dadurch verbessern, dass die befallenen Bereiche mit Hilfe eines Laserstrahls verklebt werden, so dass der unbeschädigte Teil der Netzhaut weiterhin normal funktionieren kann.

Retinopathia pigmentosa ist eine zumeist erbliche Krankheit, bei der sich Pigmentflecken auf der lichtempfindlichen Netzhaut bilden. Wie beim grünen Star kommt es auch hier zum „Röhrensehen“. Da die Randbereiche der Netzhaut wichtig für das Sehen bei schwachem Licht sind, haben Menschen mit diesem Leiden Schwierigkeiten, sich im Dunkeln zurechtzufinden. Zur Zeit gibt es noch keine Erfolg versprechende Behandlung.

Im allgemeinen wird der Betroffene im Alter von etwa 50 Jahren völlig erblinden. Da vollständig Blinde in absoluter Finsternis leben, sind sie auf ihren Tast- und Geruchssinn, auf ihr Gehör und ihr Gedächtnis angewiesen, wobei all diese Sinne im Laufe der Zeit erheblich geschärft werden.

Blindgeborene Kinder lernen meist besser, mit ihrem Leiden zurechtzukommen, als Menschen, die im späteren Leben erblinden. Es gibt viele blinde Menschen, die ein relativ selbstständiges Leben führen. Andere hingegen müssen möglicherweise in einem Blindenheim leben. So gut wie in allen Städten gibt es Pfleger, die sich um blinde Menschen kümmern. Sie sind dafür ausgebildet, die individuell anfallenden Bedürfnisse zu erkennen. Sie klären die Leute auch über ihre Rechte auf, da viele nicht wissen, was ihnen als Behinderten alles zusteht.

Blindenschrift

Der Franzose Louis Braille erfand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Blindenschrift. Braille, der Sohn eines Schuhmachers, verlor schon als Kind bei einem Unfall in der Werkstatt seines Vaters das Augenlicht. Die Blindenschrift besteht aus erhabenen Pünktchen, die in das Papier geprägt sind. Bei den Zeichen handelt es sich durchweg um Abwandlungen eines Grundmusters aus sechs Punkten.

Sie werden mit den Fingerspitzen ertastet. Für jeden Buchstaben, jede Ziffer und jedes Interpunktionszeichen gibt es eine andere Punktkombination. Für ein „G“ sind zum Beispiel vier Punkte im Quadrat (wie auf einem Spielwürfel) erhaben, für ein „L“ drei Punkte untereinander in einer Linie. Beim Lesen tastet der Blinde die Schrift mit den Fingern von links nach rechts ab.

Elektronische Hilfen

Brailleschrift ist bei weitem nicht das einzige Hilfsmittel für Blinde. Neben Bildschirm- Lesehilfen für Schwachsichtige und Tonbandkassetten werden auch Sonargeräte entwickelt, die Blinden helfen können, Hindernisse akustisch zu erkennen. Print-to-voice-Maschinen sind heute schon in manchen Bibliotheken vorhanden. Diese komplizierten Maschinen können einen gedruckten Text ins gesprochene Wort umwandeln, ein ideales Hilfsmittel für Blinde.