Altersheilkunde

Immer mehr Ärzte befassen sich heute mit der Geriatrie, der Lehre von der ärztlichen Behandlung des alten Menschen und seiner spezifischen Erkrankungen.

Die Geriatrie ist ein Zweig der Medizin, der sich mit den Krankheiten des Alters beschäftigt und sich darum bemüht, ältere Leute so lange wie möglich bei guter Gesundheit zu halten. Die vertrauten äußeren Anzeichen fortgeschrittenen Lebensalters zeigen sich besonders an der Haut und am Haar eines Menschen, aber auch die inneren Organe machen Veränderungen durch. Sie verfügen bei jungen Menschen über gewaltige Funktionsreserven: Ein Jugendlicher ist im allgemeinen vier- bis zehnmal so widerstandsfähig, wie eigentlich notwendig wäre. Doch eine Krankheit, mit der ein junger Mensch ohne weiteres fertig wird, kann bei einem älteren, dessen Organe keine so großen funktionellen Reserven mehr haben, das Gleichgewicht ernstlich stören.
Selbst wenn sich jede Krankheit vermeiden ließe, würde der natürliche Alterungsprozess aller Organe sowie der Muskeln und Knochen – der etwa im Alter von 30 Jahren beginnt – dazu führen, dass das Leben irgendwann endet.

Krankheiten und Beschwerden

Es gibt keine Krankheiten, die ausschließlich Menschen ab einem bestimmten Lebensalter befallen, wohl aber treten manche Leiden im hohen Alter vermehrt auf.

Arthritis: Beide Hauptformen der Arthritis (Gelenkentzündung), die rheumatoide Arthritis, auch primär chronische Polyarthritis, PCP genannt, und die degenerative Arthritis, befallen vor allem ältere Leute. Insbesondere macht ihnen jedoch die durch Abnutzung bedingte Form, die degenerative Arthritis (Arthrosis de formans), zu schaffen. Sie beruht auf der allmählichen Erosion der Knorpel-„Lager“ der Gelenke, die Schmerzen verursacht, vor allem in den Knie- und Hüftgelenken (Gon-und Coxarthrose). Auch das Rückgrat, vor allem die Halswirbelsäule, wird von dieser Arthritis in Mitleidenschaft gezogen; Symptome sind Schmerzen im Hals- und Schulterbereich sowie Schwindelanfälle. Manche dieser Symptome lassen sich durch Operationen lindern.
Auch bei Hüftgelenkschmerzen kann Abhilfe geschaffen werden: Lassen sich diese Schmerzen nicht durch Medikamente eindämmen, so wird in vielen Fällen operativ ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt.

Schlaganfälle: Wenn ein Blutgefäß im Gehirn plötzlich verstopft oder platzt und dadurch Teile des Gehirns geschädigt werden, spricht man von einem Schlaganfall. Halbseitige Lähmung (Hemiplegie), Sprachstörung (Aphasie), Störungen der Gesichtsnerven und andere funktionelle Störungen des Gehirns können die Folge sein. Schlaganfälle treffen Menschen aller Altersstufen, doch etwa die Hälfte tritt bei über 75jährigen auf und sind eine der Hauptursachen für körperliche Behinderungen älterer Menschen. Viele Patienten mit diesem Krankheitsbild werden in Rehabilitationskliniken behandelt. Die meisten Opfer von Schlaganfällen bleiben am Leben und zeigen im Laufe der folgenden Monate eine gesundheitliche Besserung.

Dieser ganz natürliche Genesungsprozess beruht unter anderem darauf, dass intakte Gehirnbereiche die Funktionen der geschädigten mitübernehmen; dies geht bei älteren Menschen jedoch langsamer vonstatten als bei jungen. Wer einen Schlaganfall erlitten hat, benötigt die Hilfe von Ärzten, Schwestern, Physio- und Beschäftigungstherapeuten sowie Sozialarbeitern. Fürsorgliche Betreuung ist erforderlich, vor allem in der Zeit kurz nach dem Schlaganfall, weil dann das Risiko besonders groß ist, dass der gelähmte Patient wund liegt oder dauerhaft inkontinent wird, also Harn oder Stuhl nicht mehr zurückhalten kann.

Während der Genesung lernt der Betroffene mit Hilfe von Physiotherapeuten, seine Beweglichkeit wiederzugewinnen. Eine Krankengymnastin ermittelt das Ausmaß der körperlichen Behinderung und stellt fest, welche Hilfsmittel in der Wohnung des Patienten installiert werden sollten, um ihm einen möglichst hohen Grad an Bewegungsfreiheit zu ermöglichen, falls sich irgendeine Behinderung nicht mehr beheben lässt. Oft muss auch mit Medikamenten einem weiteren Schlaganfall vorgebeugt werden.

Taubheit: Die zunehmende Unfähigkeit, höhere Schallfrequenzen wahrzunehmen, ist bei älteren Menschen meist ganz natürlich. Nimmt diese Taubheit für bestimmte hohe Töne extreme Formen an, so fällt es dem Betroffenen schwer, andere Menschen akustisch zu verstehen, weil das gesprochene Wort durch den Wegfall der hohen Frequenzen verschwommen und undeutlich wird. Ein optimal eingestelltes und korrekt sitzendes Hörgerät kann in vielen Fällen helfen, auch weiterhin ein relativ unbeeinträchtigtes, selbständiges Leben zu führen.

Geistesschwäche (Demenz): Abgestorbene Gehirnzellen erneuern sich nicht: Während sich die Anzahl intakter Zellen allmählich verringert, schrumpft das Gehirn – ein Vorgang, den man als Hirnatrophie bezeichnet. Schrumpft das Gehirn eines Menschen so stark, dass keine Kompensation durch die übrigen Gehirnzellen mehr möglich ist, tritt ein ernster geistiger Verfall ein. Diesen Zustand bezeichnet man als Demenz oder Geistesschwäche. Er kann in jedem Alter auftreten, wird aber vor allem bei älteren Menschen beobachtet, deren Gehirn den Anforderungen des täglichen Lebens nicht mehr gewachsen ist. Sie werden vergesslich, und die Sprechfähigkeit verschlechtert sich ebenso wie andere Gehirnfunktionen. Die Betroffenen sind nicht mehr fähig, ihre Körperfunktionen zu kontrollieren, und damit vollständig auf Betreuung durch Pflegepersonal oder Verwandte angewiesen. Demenz ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. In manchen Fällen ist die Geistesschwäche wahrscheinlich erblich bedingt; hinzu kommen Hirnschäden durch Alkoholmissbrauch, Schlaganfälle und andere noch nicht ganz erforschte Belastungen, die eine Schädigung des Gehirns bewirken.

Ob bei bestimmten Personen ein Nachlassen der Gehirnfunktion auftritt, hängt auch von den an sie gestellten Anforderungen ab. Ein alter Mensch, der in seinen eigenen vier Wänden stets gut mit der Lebensführung zurechtgekommen ist, gerät unter Umständen in einen Zustand geistiger Verwirrung, wenn er beispielsweise wegen einer geringfügigen Erkrankung ins Krankenhaus muss. Das Gehirn ist dann möglicherweise außerstande, all die neuen Informationen zu verarbeiten.

Inkontinenz: Diese Störung kann ein Anzeichen für fortgeschrittene Demenz sein, hat aber bei alten Menschen oft auch andere Ursachen. Die Unfähigkeit, Harn oder Stuhl zurückzuhalten, kann auf Störungen der zur Blase und den Eingeweiden führenden Nerven oder auf lokale Erkrankungen der Harn- oder Ausscheidungsorgane zurückzuführen sein. Inkontinenz muss daher als ein Symptom mit vielen möglichen Ursachen gewertet werden und nicht von vornherein als Anzeichen für eine gestörte Gehirnfunktion.

Osteoporose: Im Alter werden die Knochen aufgrund des natürlichen Abbaus poröser und brechen deshalb oft schon bei leichten Stürzen, die einem jüngeren Menschen nichts anhaben. Zahlreiche alte Menschen haben große Schwierigkeiten, Bewegungen richtig zu koordinieren. Knochenbrüche sind häufig die Folge. Bei den bedenklichsten Frakturen, den Oberschenkelhalsbrüchen, werden heute Metallnägel und künstliche Hüftgelenkköpfe (Endoprothesen) in den Hüftknochen eingepflanzt, um den Bruch zu stabilisieren, so dass der Patient fast unmittelbar nach dem Unfall wieder gehen kann. Wochenlange Bettruhe und die oft damit einhergehenden Komplikationen des Wundliegens (Dekubitis) und der Entstehung von Blutgerinnseln (Thrombose) entfallen. Die Wirbel, jene Knochen also, aus denen das Rückgrat besteht, nutzen sich ebenfalls mit zunehmendem Alter allmählich ab und können deshalb durch das Körpergewicht zusammengedrückt werden. Dies erklärt die allmähliche Größenabnahme bei alten Menschen. Manchmal brechen ein oder mehrere Wirbel unter der Belastung zusammen, was zu starken Rückenschmerzen und möglicherweise sogar zu Verletzungen des Rückenmarks führt.
Dehydratation (Entzug von Wasser): Alte Menschen verspüren oft keinen Durst. Sie vergessen es einfach, zu trinken. Das kann dazu führen, dass der Körper des Betroffenen regelrecht austrocknet. Erste Anzeichen sind Müdigkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Schlimmstenfalls kommt es sogar zu einer schweren Bewusstlosigkeit (Koma). Ältere Menschen sollten deshalb unbedingt darauf achten, täglich 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Altenbetreuung Hilfs- und Pflegedienste, etwa der Sozialstationen, sind stets bestrebt, es dem alten Mitbürger zu ermöglichen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu leben und sich sowie den Haushalt im wesentlichen selbst zu versorgen. Bei der Betreuung zu Hause muss darauf geachtet werden, dass alte Menschen genügend essen: Viele leiden unter Kalzium- und Vitaminmangel – vor allem dem von Vitamin B, C und D -, weil sie ihre Ernährung vernachlässigen. Es ist zudem wichtig, dass jemand regelmäßig nach dem Rechten sieht, bei der Hausarbeit und beim Einkauf hilft.

Wohnungen für alte Menschen

Viele alte Menschen mit körperlichen Gebrechen sollten weiterhin zu Hause leben, vorausgesetzt sie verfügen über eine geeignete Wohnung. Wer an Arthrose in Hüft- und Kniegelenken leidet, wird kaum in der Lage sein, viele Treppen zu steigen. Ein Umzug in eine Parterre-Wohnung ist deshalb oft ratsam. Den Vorteilen steh die Tatsache entgegen, dass ein Wechsel der vertrauten Umgebung und Nachbarschaft bei alten Leuten Verwirrung und Ängste auslösen kann. Wer jedoch offenkundig nicht mehr in der Lage ist, alleine zu Hause zu leben, sollte sich nicht scheuen, in ein Senioren- oder Altenpflegeheim zu ziehen. In einer solchen Einrichtung braucht man sich nicht mehr selbst um alles zu kümmern, andererseits hat das zur Folge, dass die Selbständigkeit des älteren Menschen eingeschränkt und nicht mehr so stark gefordert ist. Die Entscheidung, in ein Altenheim zu gehen, sollte dem alten Menschen stets selbst überlassen bleiben. Die meisten Krankheiten älterer Leute können in den allgemeinen Krankenhäusern behandelt werden, von denen viele auch über eine Geriatrie-Station verfügen. Ziel der Behandlung ist es, dem Patienten die Rückkehr nach Hause und in die Obhut des Hausarztes zu ermöglichen. Ist ein alter Mensch zu verwirrt oder gebrechlich, um in einem normalen Alten heim gepflegt zu werden, wird er langfristig in einem Pflegeheim oder in der geriatrischen Abteilung eines Krankenhauses untergebracht.

Erholung und Geselligkeit

In vielen Fällen kapseln sich alte Menschen von ihrer Umgebung ab. Es besteht die Gefahr von Vereinsamung und Verlust der Orientierungsfähigkeit. Deshalb bieten örtliche Behörden und Wohlfahrtseinrichtungen oft gesellige Zusammenkünfte, Ausflüge und Urlaubsreisen an; dabei finden alte Menschen leicht Anschluss und entdecken oft sogar neue Möglichkeiten, ihr Leben sinnvoll zu gestalten.

Ein alter Mensch in der Familie

Wer als alter Mensch mit seinen Angehörigen oder Verwandten nicht mehr auskommt, andererseits aber auch nicht mehr allein leben kann, sollte den Umzug in ein Altenheim den ständigen Spannungen in der Familie vorziehen. Viele alte Menschen leben jedoch glücklich und zufrieden bei ihren erwachsenen Kindern, betreuen die Enkel, die sich in ihrer Gesellschaft meist sehr wohl fühlen; und aufgrund ihrer langen Lebenserfahrung stehen sie der Familie oft mit Rat und Tat helfend zur Seite.